Milchkaffee und Kaiserschmarrn

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Die Mokkabar empfiehlt sich als zweites Wohnzimmer

Immer gut für einen Pastis und einen arabischen Mokka mit Kardamom - die Mokkabar in der Gneisenaustraße. Foto: ks

Die Mokkabar in der Gneisenaustraße war ein Vierteljahrhundert lang ein komfortables zweites Wohnzimmer. Vor allem den Berlin-Neuling konnte sie faszinieren: nicht unbedingt der angesagteste Kiez, gewiss, aber große, hohe Fenster, schöne Bilder an der Wand, coole Musik, urbane Atmosphäre. Drinnen gibt es Milchkaffee und leckeren Kaiserschmarrn, draußen rauscht der Autoverkehr.

Hier konnte man Cem Özdemir treffen, wie er gerade Leuten vom Fernsehen ein Interview gab. Oder den Schriftsteller Helmut Krausser, der so versonnen und demonstrativ in sich gekehrt in einer Ecke saß, dass aber auch jeder sofort merken musste, dass er sich auf direktem Weg zum Weltruhm befand.

Damals schwärmte ein US-Amerikaner, die Mokkabar habe "die schönsten Bedienungen in ganz Berlin". Nun war das viele Jahre vor #metoo. Heute könnte natürlich niemand mehr so etwas schreiben. Erstens sind Kellnerinnen keine "Bedienungen", sondern allenfalls Restaurant-Servicefachkräfte. Und eine Frau zu bewundern, nur weil sie attraktiv aussieht, ist sowas von mega-out. Aber um ehrlich zu sein, hübsch sind sie schon!

Das Frühstück in der Mokkabar ist legendär. Foto: ks

Wie alle guten Restaurants verändert sich die Mokkabar mit ihren Gästen. Am Sonntagvormittag ist sie voller Studenten, die ihren angereisten Eltern aus der Provinz mit einem opulenten Berliner Frühstück imponieren möchten. Mittags gibt es unter der Woche einen vorzüglichen, abwechslungsreichen und durchaus bezahlbaren Mittagstisch. Nachmittags schlägt die Stunde der privaten Verabredungen und der älteren Herrschaften, die ihre Einsamkeit hinter Buch oder Zeitung verstecken. Abends stehen dann gerne ein paar Jüngere am Tresen herum, schlürfen Cocktails und feiern ein bisschen Party. Vor Corona wenigstens.

Die Mokkabar existiert schon seit 1994. Bedri Behadini hat dort 1996 als Tellerwäscher angefangen, dann war er Koch, seit zwölf Jahren ist er der Inhaber. "Ich bin sehr froh, dass ich hier sehr nette Gäste habe!", sagt er höflich. Und dann erzählt er die Geschichte von den älteren Frauen, die im Chor singen und jeden Montag um 21.30 Uhr vorbeischauen, auf einen Wein und was Kleines. "Heute Nachmittag kam eine von ihnen, ich hätte sie fast nicht erkannt wegen der Maske. Sie hat mir 100 Euro in die Hand gedrückt und gesagt: Wir werden wegen Corona vielleicht nicht mehr kommen können, hier eine kleine Spende zur Unterstützung! Das hat mich richtig berührt, ich werde diese 100 Euro aufheben und einrahmen für mein ganzes Leben!"

Zweieinhalb Jahrzehnte lang ist die Mokkabar eine gute, bewährte Freundin gewesen. Nun haben auch Freundschaften hin und wieder kleine Krisen. Wenn der hungrige Gast schon um 16:45 Uhr keinen Mittagstisch mehr bekommt, weil "der Koch auch mal Schluss machen will". Oder die neue Servicefachkraft partout keine Ahnung hat, wie man stilgerecht Pastis serviert und erst danach fragen muss. Aber so etwas ist nicht weiter schlimm und kommt in den besten Beziehungen vor. Liebe Mokkabar, bleib so, wie du bist!

Kontakt: Mokkabar