Was macht eigentlich …

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... das defekte Brünnlein am Marheinekeplatz?

Herbst 2021: Tomatenpflanze und Müll auf dem Fünf-Wasser-Tiegel. Foto: ks

Die Berliner Wasserbetriebe sind unter die Poeten gegangen: "Eau, wie schön: Bald alle Brünnlein fließen!", dichtete die Presseabteilung Mitte April. Tatsächlich guckt die Sonne wenigstens ab und zu hinter grauen Wolken hervor, die Sommerzeit ist auch schon da und jetzt soll also die Brunnensaison in Berlin wieder beginnen. Neben 189 Trinkbrunnen werden in der Hauptstadt 162 Zierbrunnen "aus dem Winterschlaf geholt", heißt es vielversprechend, davon 54 öffentliche Wasseranlagen, Planschen und Wasserfälle allein in Friedrichshain-Kreuzberg.

Feine Sache, denkt man. "Bald alle Brünnlein fließen" ist übrigens eine Anspielung auf ein altes deutsches Volkslied, früheste Fassung bereits 1534, Clemens Brentano und Achim von Arnim nahmen es in die Textfassung Des Knaben Wunderhorn auf, schließlich 1855 von Friedrich Silcher so ungefähr in der heute gültigen Version neu vertont: "Wenn alle Brünnlein fließen / so muss man trinken; / wenn ich mein Schatz nicht rufen darf, / tu ich ihm winken. / Ja, winken mit den Äugelein / und treten auf den Fuß, / s'ist eine in der Stube drin, / die meine werden muss."

Der Brunnen als Locus amoenus, interpretiert der Literaturwissenschaftler, wo sich in Zeiten strenger Sitten die heiratsfähige Dorfjugend trifft und heimlich heiße Blicke zuwirft. Hinreißend geschildert übrigens von Kurban Said in seinem Roman Ali und Nino aus dem Kaukasus: "Jeden Abend gehen die Mädchen zum Brunnen. Jeden Abend sitzen am Ende des Platzes die jungen Männer. ... Wenn sich die Blicke zweier Menschen am Brunnen mehrmals gekreuzt haben, wissen alle, dass die Liebe begonnen hat." Überhaupt ist so ein Brunnen ... Apropos: Was macht eigentlich der defekte Fünf-Wasser-Tiegel am Marheinekeplatz?

Dieses Brünnlein fließet leider nicht. Schon seit Ende Juni letzten Jahres ist es trockengefallen: Förderpumpe kaputt, Entwässerungspumpe kaputt, ja, das dauert und dauert, mogblog hat mehrfach berichtet ("Der Brunnen ist versiegt", "Was macht eigentlich ..."). Zeitweise wuchs eine Tomatenpflanze oben auf einem Tiegel, Müll überall, zwei E-Roller wurden ebenfalls auf den Tiegeln gesehen, dann kam der Winter und jetzt gibt es immerhin eine vage Hoffnung: "Der Brunnen sollte planmäßig bis Ende Mai in Betrieb gehen", versprechen die Wasserbetriebe. "Bis dahin ist noch einiges zu tun: So wird etwa das Graffiti entfernt und der Sickerschacht abgesaugt."

"Eau, wie schön", denkt man und erfreut sich solange noch ein bisschen an deutschem Liedgut: