Von der Schwerigkeit, gegenüber Hiroshima zu bestehen
Am 6. August 1945 fiel die erste Atombombe der menschlichen Geschichte auf die japanische Stadt Hiroshima, drei Tage später eine zweite auf Nagasaki. Dabei kamen unmittelbar etwa 100 000 Menschen ums Leben. An den Folgeschäden starben allein bis Ende 1945 mindestens 130 000 weitere und später noch mehr. Das ist jetzt 76 Jahre her - kein rundes Jubiläum, aber doch ein Anlass, um auch in Berlin einen Moment innezuhalten.
Am Freitag hatten sich an der Weltfriedensglocke im Volkspark Friedrichshain bei bestem Sommerwetter an die 200 Leute versammelt und lauschten zunächst der Neuköllner Taiko-Trommler-Gruppe "Dojo iki iki". Pascal Meiser, Gesine Lötzsch und Petra Pau von den Linken saßen in der ersten Reihe, im Hintergrund verteilte ein älterer Herr Flyer zur "mörderischen Blockadepolitik der USA" gegen Kuba. Es war ein bisschen wie früher, als ein Che-Guevara-Plakat in der WG-Küche hing und Freund Günther zum Brigade-Einsatz nach Nicaragua aufbrach.
Für den Bezirk fand es Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) eine "Schande", dass "ein Mann, eine Gruppe von Männern", also IOC-Chef Thomas Bach entschieden habe, bei den Olympischen Spielen in Japan keine Gedenkminute einzulegen. Der frühere US-Präsident Donald Trump habe sie daran gemahnt, "wie dünn das Eis ist", und sie habe sich immer gefragt: "Wie weit geht der Mann?" Dann setzte es einen Seitenhieb gegen die Bundeswehr-Fregatte "Bayern", welche dieser Tage mit dem Segen von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) auf große Fahrt in den Indopazifik ging. "Mir macht das Sorgen", sagte Herrmann und bekam viel Beifall.
Beim Thema Atomwaffen muss man natürlich auch über die rund 20 US-amerikanischen Atombomben sprechen, die nach wie vor auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz zum Einsatz durch Bundeswehr-Tornados bereitliegen. Ein Relikt aus dem Kalten Krieg, als im Rahmen der sogenannten "nuklearen Teilhabe" geplant war, atomare Sprengköpfe auch mit den Trägersystemen nicht-nuklearer Bündnispartner ins Ziel zu befördern. Dieses Konzept galt bei der NATO wie beim Warschauer Vertrag. So existierten nicht weit von Berlin entfernt zwei ausgedehnte Bunkeranlagen, wo die nuklearen Gefechtsköpfe lagerten, welche die NVA gegen West-Deutschland einsetzen sollte.
Auch heute hat Russland taktische Atomwaffen in den westlichen Militärbezirken, möglicherweise sogar in Kaliningrad stationiert. Voraussetzung für den Abzug der US-amerikanischen Bomben aus Deutschland, so die offizielle Position der Bundesregierung, seien deshalb "erfolgreiche Abrüstungsgespräche". Lothar Eberhardt sieht das deutlich anders. Der Kreuzberger nimmt zum dritten Mal an einer öffentlichen Fastenaktion bis zum Abzug der Atomwaffen aus Deutschland teil. Die Kampagne fastet jedes Jahr einen Tag länger, um den Abzug zu erzwingen - dieses Jahr sind es schon 15 Tage.
Am Hiroshima-Tag war Eberhardt bei einer Kundgebung in Köln. "Wir beenden unser Fasten vor dem Fliegerhorst in Büchel nach einer langen Nacht der Besinnung", schreibt er an mogblog. "Wir beginnen am Vortag um 11 Uhr und beschließen die Aktion mit dem Fastenbrechen am 9. August um 11:02 Uhr, dem Zeitpunkt des Atombombenabwurfs auf Nagasaki."
Anmerkung: Das Beitragsbild vorne zeigt nicht Hiroshima oder Nagasaki, sondern den Test "Romeo" einer Wasserstoffbombe mit 11 Megatonnen Sprengkraft am 27.03.1954 auf dem Bikini-Atoll. Foto: US Department of Energy