Wacholderdrossel (Turdus pilaris): Im Winter kommt sie aus dem hohen Norden in die Großstadt
Wenn er im Sommer üppig weiß blüht, nimmt den Mittelmeer-Feuerdorn kaum jemand wahr. Ein Zierstrauch halt, anspruchslos und industriefest, empfiehlt sich für verwahrloste Mittelstreifen. Willkommenes Straßenbegleitgrün, damit inmitten von Plastikmüll und Bremsenabrieb wenigstens etwas wächst - wie Liguster, Berberitzen oder die hässlichen, plastikartigen Mahonien. Erst im Herbst und später im Winter zeigt der Feuerdorn seine wahre Pracht: Dann trägt er knallrote Beeren und deren leuchtendes Rot vor dem satten Grün der Blätter ist eine der schönsten, klarsten Farben, die es in der Großstadt überhaupt gibt.
Aber nicht nur mogblog liebt ihn, auch unter den Vögeln hat der Feuerdorn, wenn es draußen kalt wird und kaum mehr Essbares zu finden ist, seiner roten Beeren wegen viele Freunde. Dann kommen sie alle angeflogen: Amseln machen sich in seinen Zweigen breit, Spatzen, Kohlmeisen, Blaumeisen. Plötzlich erscheint auch ein auf den ersten Blick mit seinem grauen Köpfchen, dem schwarzen Augenfleck und der gepunkteten Brust recht exotisch wirkender Gast: eine Wacholderdrossel (Turdus pilaris).
Sie ist etwa so groß wie eine Amsel, aber etwas schwerer. In Berlin brütet die Wacholderdrossel seit zehn Jahren nicht mehr, auch nicht am Stadtrand, aber in Brandenburg kommt sie ab und zu vor. Zuhause ist sie vor allem im hohen Norden - von Schottland über Skandinavien und Sibirien bis zum Oberlauf des Amur an der Grenze zu China, wo sie im Sommer Regenwürmer und Insekten frisst. Wenn die weite Taiga aber im Schnee versinkt, taucht der schöne, eher scheue Vogel oft in ganzen Schwärmen in Mitteleuropa auf, sogar in den Städten, und nascht an Wacholder (daher der Name), Vogelbeeren, Weiß-, Sand- oder eben Feuerdorn und liegengebliebenem Fallobst. Als Weichfutterfresser verschmäht er Meisenknödel und Futterhäuschen.
Hätten die Menschen ein besseres Gedächtnis, so hätten sie auch an den Wacholderdrosseln einiges gutzumachen. Denn noch um 1900 herum galten die "Krammetsvögel" (Krammet = Wacholder) als ausgesprochene Leckerbissen. Mit Schlingen aus Pferdehaar, in denen sie meist qualvoll verendeten, wurden sie massenweise gefangen. Gerupft, die Haut abgezogen, den Darm entfernt, die Augen ausgestochen und - so ein einschlägiges Rezept - die Füße ohne Krallen über Kreuz durch die Augenhöhlen gesteckt. Anzurichten auf gerösteten Semmelscheiben mit Sauerkohl. Zumindest in Deutschland sind Jagd und Verzehr heutzutage verboten.