Auf der Roten Liste

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Sichelwanze (Prostemma guttula): Seltene Insektenart auf den Bergmannstraßen-Friedhöfen entdeckt

Sichelwanze auf den Bergmannstraßen-Friedhöfen. Foto: ks

Im Verlauf einer ausgiebigen Kneipentour entspann sich kürzlich eine längere Debatte über wilde Tiere im Kiez. Wer nun genau wo was fotografiert hat, wie es sich mit lustigen Fotomontagen verhält, über gefräßige Biber, Spinnen und andere Lieblingstiere. Ein Resultat davon ist nun dieser Beitrag über eine kleine Sichelwanze (Prostemma guttula). Wobei es sich um eine ausgesprochene Rarität handelt: Das auffallend schwarz-rot gefärbte, räuberische Insekt tritt zwar in Süddeutschland noch einigermaßen häufig auf, fehlt an anderen Orten wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen aber fast vollständig - und so auch in Berlin.

Lesen wir, was Insektenforscher Herbert Winkelmann 2021 im Mitteilungsblatt Heteropteron, Heft 62, nun über Prostemma guttula schreibt. "Diese bunte Sichelwanze konnte der Autor in den letzten vierzig Jahren in Berlin nie nachweisen, in der aktuellen Roten Liste ... wird der Bestand als sehr selten eingeschätzt und als Gefährdung ein D (Daten unzureichend) gegeben, so dass jede Fundmeldung dieser Art hilfreich ist. In Lichterfelde Süd konnte Prostemma guttula 2019 noch nicht beobachtet werden, im folgenden Jahr gelangen bei zwei Begehungen Nachweise (31.07.2020 1 Ex., 25.08.2020 2 Ex.)."

Sichelwanzen paaren sich überfallartig. Foto: ks

Okay, hier also eine weitere Fundmeldung: 01.05.2023 im oberen Teil der Bergmannstraßen-Friedhöfe in Berlin-Kreuzberg. Dokumentiert wurde vom Autor außerdem eine sehr heftige, eruptive Kopulation, wie sie vom Insektenforscher Peter Kott präzis geschildert wird: "Bei Prostemma wird das Weibchen regelrecht überfallen und in einer Art Ringkampf so gedreht, dass die Bauchseite zur Bauchseite des Männchens zeigt und das Einführen des Penis möglich ist. Zwischen den beiden ist ein Klammern und Strampeln mit den Beinen und meist auch ein ständiges Herumtasten mit den Rüsseln zu sehen. ... Diese erste Phase der Paarung dauert nach meinen Beobachtungen zwischen 45 Sekunden und vier Minuten."

Noch zu ergänzen: Prostemma guttula ernährt sich ausschließlich von anderen Wanzen und spürt ihre Beute anhand von deren typischem Wanzengeruch auf. Sie bewohnt offene und trockene, gern auch sandige Flächen. Dort versteckt sie sich unter Steinen oder läuft tagsüber in der Sonne herum - wie auf den Bergmannstraßen-Friedhöfen. Nächsten Sommer werden wir gucken, ob wir dort wieder welche finden.