Südliche Eichenschrecke (Meconema meridionale): Seit 2007 ist sie auch in Berlin heimisch
Insekten bestimmen ist echt die Hölle! Da kommt mitten in der Nacht so ein lustiges grünes Teil mit riesenlangen Fühlern anmarschiert und stolziert frohgemut über die Tastatur. Eine Eichenschrecke, klarer Fall! Sieht schließlich jeder! Weil es keine Flügel hat, vermutlich eine Südliche Eichenschrecke (Meconema meridionale). Aber! Da regt sich schon das Entomologengewissen. Auch die Nymphen, die noch nicht ganz fertigen Exemplare der Gemeinen Eichenschrecke (Meconema thalassinum) haben schließlich keine Flügel! Und da ist man dann ganz schnell soweit, dass der Spezialist sagt: "Lässt sich im Feld oder am Foto gar nicht unterscheiden!"
Ist übrigens ein Weibchen, wegen des Legestachels. Der ist bei meridionale etwas kürzer und stärker gebogen als bei thalassinum. Außerdem ist die "Subgenitalplatte der Weibchen abgerundet oder leicht gebuchtet" und ohne "ausgezogene Spitze", so die Experten. Öhm, erkennt da bitte jemand eine Subgenitalplatte? Am Ende helfen die Flügelstummel hinter den beiden orangebraunen Flecken weiter. Bei einer Nymphe von thalassinum wären sie nämlich "parallelnervig geadert", hier sind sie aber gepunktet, wie auf diesem Foto unschwer zu erkennen ist. Tataaa! Also eben doch eine Südliche Eichenschrecke!
Sie lebt eigentlich im Mittelmeerraum, breitet sich aber seit rund 60 Jahren immer mehr in Richtung Norden aus. Im Jahr 1958 wurde sie erstmals bei Freiburg in Baden-Württemberg nachgewiesen, 1989 in Rheinland-Pfalz, 1996 in Bayern und 2007 dann auch in Berlin. Ein Neubürger, der vor allem Ballungsräume besiedelt - vermutlich, weil es dort wärmer ist. Meconema meridionale liebt kleine Gehölzgruppen, Linden, Rosskastanien und Ahorn, nahe der Bebauung oder von größeren asphaltierten Flächen. Dort frisst sie Blattläuse und kleine Raupen und kann insofern als Nützling gelten. Nachts wird sie von Lichtquellen angelockt und landet so oft bei offener Balkontür in der Wohnung. Als sie damals im Freiburger Raum entdeckt wurde, bevölkerte sie die gelben Telefonzellen der Deutschen Bundespost.
Aber wie konnte sich die kleine Schrecke so schnell ausbreiten? Sebastian Hennigs vom Nabu hat ihre Verbreitung mit einer Karte des deutschen Autobahnnetzes abgeglichen und behauptet: Sie nutzt den Autoverkehr! An Raststätten ist Meconema meridionale regelmäßig in der Nähe der Toiletten zu finden. Besonders frisch geparkte, warme Autos locken sie an, noch bei einer Geschwindigkeit von 150 Kilometern in der Stunde hält sie sich an der Motorhaube fest und lässt sich so kilometerweit in neue Lebensräume transportieren. Auch und gerade in Zeiten des Klimawandels fällt der Natur immer wieder etwas Neues ein! Noch ein Plus: Die Südliche Eichenschrecke vertilgt massenweise Larven der berüchtigten Kastanien-Miniermotte - und das wiederum freut jeden Kastanienfreund.