Hornblower und die Mund-Nasen-Masken

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In der Bergmannstraße schwindet die Disziplin

Ästhetisch eher fragwürdige Aufforderung, auf der Bergmannstraße doch bitte schön eine Mund-Nasen-Maske zu tragen. Foto: ks

Kennt jemand Horatio Hornblower? Das war ein wackerer Kapitän der britischen Royal Navy während der napoleonischen Kriege, der es bis zum Admiral gebracht hat. Bei Trafalgar hat er nicht mitgekämpft, dafür war Hornblower vor Riga maßgeblich daran beteiligt, dass der preußische General von Yorck 1812 einen Waffenstillstand mit dem russischen Zaren abschloss und Preußen damit aus der Reihe von Napoleons Verbündeten ausschied. Wer denkt da nicht an den Kreuzberger Generalszug?

Der britische Autor C. S. Forester hat Hornblowers Leben akribisch dokumentiert und wer diese zehn Bände gelesen hat, hat nicht für alle Probleme eine Lösung, aber bei vielen Widrigkeiten des Lebens doch einen guten Rat bei der Hand. So bekam Hornblower eines Tages den Auftrag, mit seiner kleinen Korvette den französischen Hafen Brest auszuspionieren. Er zählte die dort vor Anker liegenden Schiffe und beschloss als kluger Mann, künftig täglich nachzusehen: "Constant observations would increase their information in geometrical progression. ... All changes would be more significant than anything that could be deduced from a single inspection."

Sehr richtig! Veränderungen sind aussagekräftiger als eine einzige Observation! Was für feindliche Segelschiffe gilt, gilt auch für Mund-Nasen-Masken. Vor zwei Monaten hatte mogblog gezählt, wie häufig in der Bergmannstraße Masken getragen werden. Damals herrschte Lockdown-Light: Restaurants und Kneipen blieben geschlossen, in der Straße Maskenpflicht, sonst aber gab es keine Ausgangsbeschränkungen. Von 321 Passanten waren Anfang November 69 Prozent mit und 31 Prozent ohne Maske unterwegs. Wie viele würden es wohl zwei Monate später sein?

Wieder startete das mogblog-Zählteam um 15:25 Uhr an der Marheineke-Markthalle, marschierte zunächst bis zum Mehringdamm und dann auf der anderen Straßenseite zurück, erneut eine Viertelstunde lang. In diesem Zeitraum waren am 9. Januar 2021 209 Erwachsene unterwegs, von ihnen trugen 125 wie vorgeschrieben eine Maske, 84 allerdings nicht - das entspricht einem Verhältnis von 60 zu 40 Prozent. Auch gelten mittlerweile andere Rahmenbedingungen. So darf die eigene Wohnung ohne "triftige Gründe" gar nicht verlassen werden und die Zahl der Berliner Corona-Toten hat sich von damals 294 auf inzwischen 1560 mehr als verfünffacht.

Was lernen wir daraus? Die Zahl der Passanten hat sich am gleichen Wochentag, zur gleichen Uhrzeit, im gleichen Zeitraum von 321 auf 209 reduziert. Das könnte auch am kalten Wetter liegen und dürfte kaum die Wirkung sein, die man sich von einem harten Lockdown versprochen hat. Fast noch schlimmer: Der Anteil der Maskenträger sank trotz der inzwischen deutlich zugespitzten Lage von 69 auf nur noch 60 Prozent. Eigentlich nicht so überraschend. Die mehrsprachigen Markierungen auf dem Pflaster sind verblasst, aktuell weisen nur noch einige zusammengerollte Zettel an Ampelmasten auf die Maskenpflicht hin - wo sonst Abrissunternehmen mit Aufklebern ihre Dienste anpreisen. Das könnte man natürlich auffälliger und besser machen, wie es zum Beispiel in Potsdam geschieht. Oder gleich ein paar breite Banner quer über die Straße spannen. Aber dazu haben Senat und Bezirk offenbar keine Lust.