Dreistachliger Stichling (Gasterosteus aculeatus): Glanz und Elend der Zweisamkeit
Ein Fisch! Endlich ein Fisch! Nun denken wir im Unterschied zu anderen bei wilden Tieren nicht immer gleich ans Aufessen und assoziieren beim Wort "Fisch" deshalb auch keinen Karpfen blau inmitten von dampfenden Petersiliekartoffeln auf dem Weihnachtstisch. Aber niedliche Säugetiere hatten wir hier schon, Vögel, einen Frosch und viele liebenswerte Insekten. Nun ist es Zeit für einen Fisch. Das hat auch etwas mit Gleichberechtigung zu tun, mit Diversity - und nein, diskriminiert soll hier bestimmt keine Tierart werden.
Es ist aber auch ein bisschen Schuld von Stadtnatur-Ranger Toni Becker. Der hatte nach dem Desaster im Viktoriapark freundlicherweise angerufen und mitgeteilt, dass in den beiden Tümpeln zu Fuße des Wasserfalls am Kreuzberg nicht alles tot ist. Schöne Libellen gebe es dort, berichtete er im Herbst, und den Dreistachligen Stichling.
Stimmt, da war etwas ziemlich Kleines, fast Durchsichtiges, dass gierig unidentifizierbares Essbares an der flachen Böschung abweidete. Aber wie fotografiert man so etwas mit den bescheidenen Bordmitteln eines Blogs, der noch keinen einzigen Cent Gewinn abgeworfen hat? Man fängt den kleinen Fisch in einem Glas (leichter gesagt als getan), knipst ihn durch die durchsichtige Wand und lässt ihn dann wieder frei. Voilà, hier ist er!
Tatsächlich ist der Dreistachlige Stichling einer der bekanntesten Fische überhaupt. Das hat mit seinem auffälligen Balzverhalten zu tun, das ihm den Weg in Biologiebücher, in den Sexualkunde-Unterricht und in die Tierfilme von Heinz Sielmann geebnet hat. Im Frühling färbt sich die Brust der Männchen leuchtend rot. Angetan mit diesem Hochzeitskleid, beginnen sie auf dem Gewässerboden aus Pflanzen- und Algenresten ein kleines Nest zu bauen. Laichbereite Weibchen, die ihren - wegen der Eier - prallen Bauch präsentieren, werden mit ruckartigen Sprüngen angelockt, dem sogenannten Zick-Zack-Tanz. Hat das Männchen Erfolg, laicht das Weibchen in der Nisthöhle ab, das Männchen besamt die Eier, jagt das Weibchen davon und kümmert sich anschließend mehrere Wochen lang hingebungsvoll um die Brutpflege.
Das ist mit Blick auf die weibliche Emanzipation natürlich höchst zufriedenstellend. Andererseits offenbart sich bei den Stichlingen neben dem Glanz auch das Elend solcher Paarbeziehungen. Einige Männchen bekommen überhaupt kein Weibchen ab, bei anderen ist ein Konkurrent schneller und besamt die Eier eines Weibchens, die eigentlich ein anderer für sich errungen hatte. Weibchen wiederum scheinen es zu lieben, die Gelege von Mitbewerberinnen auszuräumen und deren Eier schlicht aufzufressen. Solche unschönen Angewohnheiten beschäftigen nun schon ganze Generationen von Verhaltensforschern und noch haben sie nicht alles herausgefunden!