Admiral (Vanessa atalanta): Einmal über die Alpen und wieder zurück
Schmetterlinge gehören zu den prachtvollsten Tieren überhaupt und haben von jeher die menschliche Fantasie beflügelt. Im antiken Griechenland hießen sie »psyche«, das war das gleiche Wort wie für »Seele«, und von da aus war es nicht weit zu der Vorstellung, dass beim Tod eines Menschen mit dem letzten Atemzug die Seele wie ein Schmetterling in höhere Sphären aufsteigt. Oder wohin auch immer.
Mit ihren farbenprächtigen Flügeln sind sie herrlich anzusehen, auch die Metamorphose vom Ei über Raupe und Puppe zur Imago, dem vollständigen Insekt, gibt Rätsel auf. Heutzutage allerdings haben es Schmetterlinge schwer. Von den in Deutschland vorkommenden 185 Tagfalterarten gilt mindestens die Hälfte als gefährdet. In der Großstadt sieht man öfters Kohlweißlinge absichtslos über vielbefahrene Straßen schaukeln, aber schon wer im Kiez einen Admiral entdecken will, braucht etwas Glück.
Der prächtige schwarz-rote Admiral gehört zur Gattung der Edelfalter. Er überwintert im Mittelmeerraum, kommt dann im Frühjahr über die Alpen geflogen, wobei er für die 2000 bis 3000 Kilometer lange Strecke rund zwei Wochen braucht, um im Herbst wieder nach Süden zu ziehen. Bisher jedenfalls war das so. Aber im Zuge des Klimawandels verbringt der Schmetterling den Winter immer öfter hierzulande. Damit es ihm nicht langweilig wird, fliegt er dafür im Sommer dann auch mal bis nach Skandinavien.
Der Admiral lebt in Wäldern, auf Ackerflächen, in Parks und in Gärten. Seine Raupen fressen vor allem Große und Kleine Brennnesseln. Ausgewachsene Tiere findet man zuverlässig am Schmetterlingsflieder und im Spätherbst an Efeublüten. Während der Efeu in jungen Jahren als Bodenbedecker Karriere macht, klettert er im Alter die Bäume hoch und beginnt zu blühen. Dies relativ spät im Jahr, oft bis in den November und Dezember hinein. Für viele Insekten ist er der letzte Nektarspender vor dem Wintereinbruch. Praktisch alles, was sechs Beine hat, kommt jetzt hier vorbei.
Und so sind an einem Efeu auf den Friedhöfen an der Bergmannstraße in der letzten Herbstsonne nicht nur einer, sondern gleich zwei, drei der wunderschönen Falter zu bewundern. Prompt weckt das Hantieren mit der Kamera das Interesse einer jungen Familie ein paar Meter weiter auf einer Bank. Zwei kleine Mädchen kommen angelaufen, ausgesprochen höflich: "Dürfen wir fragen, was Sie da machen?" Schau einer an, denkt man überrascht, ab und zu scheint es doch noch jemanden zu geben, der einem später die Rente finanziert.