Blaumeise (Cyanistes caeruleus): Vögel füttern will gelernt sein
Dies ist die Geschichte von einem armen Kerl, der auszog, um die Welt zu verbessern. Was konnte er da wohl am besten tun? Für ein Lastenfahrrad hatte er keine Verwendung, ein Fahrrad besaß er schon, Flugreisen auf die Malediven hatte er niemals unternommen. Duschen wollte er mit Rücksicht auf andere Menschen weiterhin jeden Tag und die Heizung stand bei ihm nie höher als auf 20 Grad. Nun ja, wenn ich schon nicht den Klimawandel stoppen kann, dachte er, so will ich im Winter doch wenigstens etwas für die armen Tiere tun!
Er wohnte nämlich oben im fünften Stock und hatte dort einen kleinen Balkon. Also besorgte er sich im Baumarkt ein hübsches kleines Vogelhäuschen aus Holz, schraubte es sorgsam am Geländer fest, holte Vogelfutter (super-bio, vegan und glutenfrei), setzte sich frohen Mutes ans Fenster und wartete. Ganz nebenbei hegte er noch die Hoffnung auf den einen oder anderen gelungenen Schnappschuss, mit dem er dann bei seinen Freunden mächtig angeben wollte. Und er wartete und wartete und wartete.
Aber vergebens: Es kamen keine Vögelchen. Genauer gesagt sogar kein einziges. Nun waren die gefiederten Freunde auch ohne Vogelhaus in seinem Innenhof nicht eben oft anzutreffen. Im Frühsommer die Schwalben, die eigentlich Mauersegler waren, wie er inzwischen herausgefunden hatte. Ab und zu eine Taube oder zwei, ganz von fern eine Elster, abends ein paar Amseln auf den Antennen mit ihren Reviergesängen und oben am Himmel natürlich die großen Krähenschwärme, die nach Norden zu ihren Schlafbäumen zogen. Aber sonst nichts.
Nach ein paar trostlosen Wochen suchte er Rat im Internet. Ja, das mit dem Futterhäuschen war nicht so einfach. Da sollte man schon im Sommer mit dem Füttern beginnen. Man bräuchte auch Sträucher zur Zwischenlandung, weil kein Vogel die Futterstelle direkt anfliegt. Überhaupt sollte der ganze Balkon vogelfreundlich gestaltet sein. Frustriert blickte unser Möchtegern-Umweltschützer auf seine braunen, erfrorenen Tomatenpflanzen und gab es auf. Das Häuschen warf er in die Biotonne. Als er in seiner Lieblingskneipe von seinem Missgeschick erzählte, spotteten sie: "Guter Wille allein genügt nicht. Ganz blöd darf sich halt auch nicht anstellen. Haha!" Und er schämte sich.
Nun soll in diesen ohnehin schweren Zeiten diese Geschichte nicht so traurig enden. Denn tatsächlich gab es ein kleines Happy End. Vielleicht waren andere ja geschickter und hatten mehr Glück mit den Vögeln, dachte der arme Kerl. Und tatsächlich fand er draußen auf dem Friedhof ein viel besser platziertes Futterhaus, machte sich unsichtbar und schon bald kam ein Schwarm Blaumeisen angeflogen. Was sind die niedlich, dachte er und war froh.