Was will die SPD?

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Franziska Giffey gewinnt gegen Bettina Jarasch

Siegerin Franziska Giffey (SPD) ...

Am Ende war es ja doch ein spannender Wahlabend. Bei den letzten Umfragen in den Tagen zuvor schien Franziska Giffey (SPD) noch recht deutlich vorne zu liegen. Grüne Wahlkämpfer malten das pure Grauen an die Wand. Giffey! Der entzogene Doktortitel! Eine bürgerliche, rot-schwarz-gelbe Koalition! Als stünde das Ende der Welt bevor! Tatsächlich schien die Gunst der Stunde eher bei den Grünen oder besser: bei Grün-Rot zu liegen. Klimawandel, Verkehrswende, Enteignung von Immobilienhaien waren als Themen gesetzt. Wer wird die nächste Regierende Bürgermeisterin? Giffey mit dem Klein-Mädchen-Lächeln und der irritierend hochgezogenen rechten Augenbraue? Oder die eher unbekannte Bettina Jarasch mit ihren gekräuselten schwarzen Locken, die immer noch leicht schwäbelt und redet wie eine Nähmaschine?

Die erste ARD-Prognose sah tatsächlich die Grünen vorn. Jarasch triumphierte: "Ich bin völlig überwältigt. Berlin hat gewählt und es ist großartig!" Aber so großartig blieb es nicht. Die Hochrechnungen von ARD und ZDF zuckelten hin und her und je länger der Abend wurde, desto größeren Aufwind bekam die SPD, während die Grünen-Prozente langsam, aber stetig dahinschmolzen. Die Schlagzeilen im Netz folgten mit gehöriger Verspätung, so dass noch längere Zeit von einem grünen "Tigersprung" die Rede war, als es den schon längst nicht mehr gab. Am Ende landeten die SPD bei 21,4 Prozent und die Grünen bei 18,9 Prozent, das war gerade noch ein bisschen mehr als die CDU mit ihren 18,1 Prozent.

Für die Grünen ist das ein respektables Ergebnis - ihr bestes bisher in Berlin und immerhin 3,7 Prozent mehr als noch bei der letzten Wahl. Aber 2011 hatten sie schon einmal 17,6 Prozent eingefahren. Und es ist ein Nichts im Vergleich zu den hochgespannten Erwartungen und der Hoffnung, künftig in die Fußstapfen von Willy Brandt oder Richard von Weizsäcker treten zu können. Gleichzeitig verloren die Partner auf der linken Flanke 1,6 Prozent, CDU und FDP hingegen legten zusammen immerhin 1,0 Prozent zu. Erstaunlicherweise hatte sich bei der Wahl gegenüber 2016, obwohl sich die Welt seither doch deutlich verändert hat, insgesamt relativ wenig bewegt - abgesehen vielleicht vom Absturz der AFD. Wobei mögliche bundespolitische Einflüsse hier natürlich außen vor bleiben müssen.

Aus der Traum von Bullerbü

"Aus der Traum von Bullerbü", hatte der "Spiegel" schon in den Tagen zuvor getitelt. Und tatsächlich könnte man so auch das Wahlergebnis überschreiben. Die meisten Berliner Wähler haben keine Lust auf Bullerbü. Genauer gesagt: 81,1 Prozent wollen es nicht, jedenfalls jetzt noch nicht. Und was sie von den allfällig propagierten Lastenfahrrädern, Pop-Up-Radwegen und Fahrradstraßen halten, ist durchaus ungewiss. Dabei ergibt sich übrigens eine hochinteressante regionale Verteilung, wenn man die Erststimmen betrachtet: Die City wählt mittlerweile fast komplett Grün, die Linken sind im Osten ganz furchtbar abgeschifft, der wohlhabende Südwesten, der Nordwesten und erstaunlicherweise auch der tiefe Osten bekennt sich zur CDU, der Südosten, Nordosten, Norden und Spandau zur SPD.

... und Verliererin Bettina Jarasch (Grüne). Fotos: ks

Franziska Giffey also hat gewonnen und sie wird vermutlich das nächste Stadtoberhaupt sein. Aber mit welchen Parteien? Bisher hat sie sich klugerweise nicht festgelegt. Als die Grünen sich schon als Sieger wähnten, sagte Giffey: "Wir haben hier ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und Grünen, das heißt, es gibt ein klares Votum für SPD und Grüne, damit müssen wir umgehen." Stunden später klang das schon wieder ganz anders: "Man muss eben auch sagen, die CDU ist fast gleichauf mit den Grünen gelandet." Und am Ende blieb nur die Formel: "Wir wollen gerne so viel SPD-Programm wie möglich hinbekommen in den Koalitionsverhandlungen." Sehr clever gemacht.

Das hat Giffey gesagt und niemand weiß, was sie nun wirklich denkt. Niemand weiß, was Raed Saleh, der mächtige Co-Vorsitzende der Berliner SPD, alles denkt, die Jusos denken und sprechen auch eine ganze Menge und dann gibt es noch zahlreiche SPD-Kreisverbände, die denken und sprechen ebenfalls pausenlos. Rein rechnerisch wäre eine Fortsetzung des bisherigen rot-rot-grünen Bündnisses möglich, aber auch eine rot-schwarz-gelbe oder eine rot-grün-gelbe Koalition. Die Grünen würden schon gern, die Linken auch, CDU und FDP natürlich ebenso. Stellt sich nur die Frage, was die SPD will oder besser: was Frau Giffey will und wie viel sie davon in der traditionell eher linken Berliner SPD durchsetzen kann.

Was es im ersten Aufwasch sonst noch zur Berliner Wahl zu sagen gibt: Die Kreuzberger Ex-Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hat es überraschenderweise nicht ins Abgeordnetenhaus geschafft. Im Bezirksparlament hat sich das Problem AFD erledigt - wenn denn jemals eines bestanden hat: Die rechtsextreme Partei hat dort jetzt nur noch einen Sitz. Die PARTEI wurde ebenfalls stark dezimiert, die SPD verlor leider einen, CDU und FDP gewannen jeweils einen Sitz hinzu. Damit hat die muntere Truppe um das Ehepaar Heihsel jetzt Fraktionsstatus - mogblog gratuliert.