Pastellbilder von Christel Lucht im Nachbarschaftshaus
Es ist das Licht. Der intensive Kontrast zwischen dem Gelb des auf den Feldern stehenden Getreides und dem satten Grün der Vegetation, den Blautönen des sich hoch emportürmenden Sommerhimmels. Wohl ein heißer Nachmittag im August, ein mächtiges Gewitter braut sich zusammen. Man ahnt den Ruf des Mäusebussards, hinter den Bäumen vermutlich der Sandstrand der Ostsee. Ein prächtiges Pastellbild der 2020 verstorbenen Christel Lucht, zusammen mit anderen hängt es noch bis Dienstag, 25. April, im Nachbarschaftshaus in der Urbanstraße (NHU).
"Sie war eine klassische Hobbymalerin", berichtet die Tochter. Aufgewachsen im Spreewald, dann nach der Volksschule Ausbildung zur Porzellanmalerin - ein Beruf, den sie niemals ausgeübt hat, der ihr aber später zustatten kam. Heirat, mit dem Mann in den Westen, zwei Töchter, ab den siebziger Jahren in Berlin, jetzt alleinerziehend. Im Rathaus Spandau eine feste, sichere Stelle beim Vermessungsamt in der Kartografie, wo sie bis zur Rente als Technische Zeichnerin arbeitete. Wieder die Tochter: "Das war eigentlich ziemlich öde. Es ging um die Korrektur von Plänen, immer auf so nem Leuchttisch mit einer Kratzfeder, es wurde viel mit Kleber gemacht und hat gestunken."
Doch dann die Bilder. Mit Aquarell, Acryl und Öl hat Christel Lucht lediglich experimentiert, ernsthaft gemalt aber hat sie mit Pastellkreide. Eine große Rolle spielte dabei der Arbeitskreis Spandauer Künstler. "Sie hat nur einen einzigen Kurs besucht und dann einfach losgelegt. Wie fast alle dort hat meine Mutter unglaublich viele Bilder produziert." Jede Woche traf sich der Arbeitskreis, es wurden Quartalsaufgaben gestellt und Gemeinschaftsausstellungen veranstaltet. Die Malerin fuhr in den Spreewald und an die Ostsee, der Motive wegen. Im Alter orientierte sie sich zunehmend nach Kreuzberg, weil die Tochter dort wohnt. "Das Nachbarschaftshaus wurde ein bisschen zum Familientreff. Sie war ein sehr lebenslustiger Mensch und hat an Konzerten oder Karneval der Kulturen kaum etwas ausgelassen."
Jetzt sind ihre Werke dort zu besichtigen. Eher konventionelle Motive: winterliche Weiden im Gegenlicht, blaue Maßliebchen, eine Vase mit Sonnenblumen. Aber dann diese beeindruckenden menschenleeren, oft dramatischen Landschaften: Himmel und Erde, Wolken und Meer. Ein wunderschönes Ostseebild, wo Luft und Wasser am Horizont aufeinandertreffen und die unterschiedlichsten Blaus versammelt sind - von Violett über Ultramarin, Kobalt, Preußisch bis Bläulichgrün. Dabei wird die Intensität der Farben gebändigt durch eine klare Raumaufteilung, der lockere, aber überaus genaue Kreidestrich erinnert ein bisschen an die verschwimmenden Konturen von Renoir. Doch die Künstlerin widersteht allen expressionistischen Anfechtungen, wenn auch ein hübsches Spreewalddorf fast kubistisch anmutet.
Es ist das Licht. Es sind die Farben. Da sitzt man entspannt im Foyer des NHU, ist gerade aus dem nervigen Dauerregen draußen hereingekommen, nippt an einer Tasse Kaffee, lässt den Blick schweifen und denkt: Diese Bilder hängen nicht nur einfach so da, sie leuchten! Wie hat sie das nur gemacht?
Info: Weitere Informationen zu Christel Lucht gern via 0174 9288248 oder kersim@gmx.de