Eine Pumpe wird repariert

Veröffentlicht in: mog61, Reportage | 1

Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg rettet Blumen und Bäume

Fachgerechte Installation des neuen Kolbens. Fotos: ks

Der gemeinnützige Verein mog61 Miteinander ohne Grenzen e.V. kümmert sich schon seit einigen Jahren um Blumenbeete am U-Bahnhof Gneisenaustraße. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Die Ecke entwickelt sich leider immer mehr zum sozialen Brennpunkt: Benutzte Spritzen liegen herum, leere Flaschen, Plastikbecher und Pizzaverpackungen türmen sich, betrunkene Touristen pissen auf den Wiesensalbei, es ist eben keine besonders gute Gegend. Auch der diesjährige Karneval der Kulturen hat schwere Kollateralschäden angerichtet. Größtes Problem aber ist das Wasser: Die leichten Böden im Hochbeet sind sandig, die Sommer meistens trocken und die heftigen Ost- oder Westwinde trocknen die Erde zusätzlich aus. Also muss vor allem gegossen werden. Sehr viel gegossen.

Glücklicherweise existiert an der Ecke Mittenwalder / Gneisenaustraße die Schwengelpumpe KB 092. Zu diesen historischen Berliner Straßenbrunnen gibt es eine Menge zu sagen (vgl. unten bei "Info"). Sie reichen bis ins Grundwasser hinab, sind als Notfall-Wasserversorgung gedacht und lassen sich in heißen Sommern wunderbar zum Gießen von Blumen und Bäumen zweckentfremden. Leider sind viele der mehr als 2000 Berliner "Plumpen" defekt - allerdings scheint sich die Lage derzeit etwas zu verbessern.

Blick in die Tiefe. Sieht man auch nicht alle Tage!

Die grüne Pumpe KB 092 vom Typ Wolf 2 vor der Mittenwalder Straße 44 wurde im Sommer 2021 repariert, seither funktioniert sie erfreulicherweise wieder. Sie ist der Eckpfeiler der Gießaktivitäten von mog61. Letzten Sommer wurde dort jeden Freitag um 17 Uhr ein Gießtreff eingerichtet, bei welchem inzwischen die halbe Nachbarschaft mit Kannen und Eimern zusammenkommt und schon mal gemeinsam die Tomaten vom eigenen Balkon verspeist, dazu leckerer Käse von Knippenbergs, Weintrauben und ein Schlückchen Sekt. Ja, ja. Diese harmlose Pumpe ist mit der Zeit zum Ort der Begegnung geworden, Arbeitsname: "Am Dorfbrunnen".

Aber, ach! Im Februar hatten Nichtsnutze schon mal die Schrauben oben am Schwengel geklaut, das wurde vom Bezirk schnell repariert. Aber Ende Mai war die Pumpe richtig kaputt. Der Schwengel ließ sich plötzlich ganz locker bewegen, kein Wasser, nichts. Mitten in großer Trockenheit! Dazu muss man wissen, dass es in Kreuzberg in diesem Jahr zwischen dem 7. Mai und dem 14. Juni keinen einzigen Tropfen geregnet hat. Die Not war groß! Also wandte sich mog61 an das Straßen- und Grünflächenamt. Jedoch ist der Bezirk nur für die Wartung zuständig, die Brunnen selbst gehören dem Land oder dem Bund. Und KB 092 ist ein Bundesbrunnen.

Dekorative Schwengelpumpen-Einzelteile.

Da wird es dann aber sehr schnell kompliziert. Das zuständige Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn ist nicht gerade für seine Großzügigkeit bekannt. Bis Ende August muss eine Liste mit den Reparaturwünschen für das Folgejahr vorgelegt werden, wie viele Gelder dann tatsächlich fließen, weiß nicht einmal Olaf Scholz. Nun stand KB 092 selbstredend nicht auf der Liste für dieses Jahr, könnte zwar auf der neuen Liste für 2024 stehen, allerdings behält sich der Bund laut Bezirk vor, ob und welche Brunnen er ggf. erneuern lässt. Man ahnt es: Jahre der Trockenheit! Jahrelang dürstende Bäume, verdorrte Beete - und all das Unglück nur wegen der schwerfälligen Bürokratie!

Nun hat der Verein, wie man hört, auch mit eigenen Mitteln versucht, die Pumpe wieder zum Laufen zu bringen. Vergeblich. Also blieb letztendlich nur die Triage: Von elf Beeten und gefühlt fünf bis acht Bäumen würden die allermeisten auf der Strecke bleiben. Drei Beete, der Blumenkübel an der Pumpe und eine hübsche Kletterrose ließen sich vielleicht retten. Das bedeutet lange Wege, um das Wasser zu besorgen. Mit Gießkanne und Eimer, vier oder fünf Treppen hoch. Kennen wir. Nur nebenbei: In der ersten Julihälfte blieb der Regen ebenfalls fast völlig aus. In dieser Situation entschloss sich der Verein schließlich zu einem erneuten Hilferuf - an den Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes Felix Weisbrich, an Umweltstadträtin Annika Gerold und Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann.

Links der gerissene Kolben, der das Desaster verursacht hat.

Und siehe da: Kurze Zeit später, am 28. Juli, waren plötzlich zwei Arbeiter einer Spezialfirma an der Pumpe zu Gange, eine Leiter, ein Dreibein mit Winde wurden aufgerichtet, der Ständerkörper abgehoben und auf die Seite gestellt, lange Rohre und Teile des Kolbengestänges lagen auf dem Kopfsteinpflaster herum, man konnte einen Blick in das Brunnenloch werfen und erahnen, wie tief es tatsächlich ist. Ja, der Kolben, der mit seiner Lederdichtung für den nötigen Unterdruck sorgt, war gerissen. Wurde durch einen neuen ersetzt und alles wieder sorgsam und fachgerecht zusammengebaut. Vier bis fünf Stunden waren die beiden Männer beschäftigt. Und dann - ging die Pumpe wieder. Wasser sprudelte. Als wäre nichts gewesen. Alles wird gut!

Niemand weiß, wer da jetzt genau wie hoch über seinen Schatten gesprungen sein mag. Aus welchem Topf die Reparatur finanziert worden ist. Flossen doch noch ein paar Tropfen Bundesgeld? Sprang das Land in die Bresche? Entdeckte der Bezirk eine andere, unvermutet sprudelnde Quelle? Keine Ahnung. Das Ergebnis jedenfalls spricht für sich und überzeugt. Die ehrenamtlichen Gärtner atmen auf, Blumen und Bäume ebenfalls. "Wir sind sehr glücklich, dass der Bezirk uns geholfen hat", sagt mog61-Vorsitzende Marie Hoepfner. "Mit dem Brunnen können wir und Nachbar:innen in der Straße jetzt wieder Blumen und Bäume gießen, das ist gut für die Wildbienen, das Klima und die Lebensqualität. Das Bezirksamt hat gezeigt, dass es uns in der Not nicht alleine lässt. Danke dafür! So kurze Wege zwischen Bürger:innen und Verwaltung wünschen wir uns immer!"

Dem ist nichts hinzuzufügen. Oder doch: Am Freitag, 18. August, gibt es - wenn es nicht regnet - am Brunnen vor der Mittenwalder Straße 44 ein kleines Pumpenfest. Mit Tomaten vom eigenen Balkon, leckerem Käse von Knippenbergs, Weintrauben und einem Schlückchen Sekt. Ab 17 Uhr. Versprochen!

Info: Weitere lesenswerte Texte zum Thema Schwengelpumpe: 01.08.2019 Die meisten Brunnen sind kaputt; 01.10.2019 Wasser marsch!; 01.08.2020 Viel zu viele sind kaputt; 15.08.2020 Buntes Kreuzberg: Weiß; 03.06.2021 Endlich Wasser!; 20.06.2022 Am Dorfbrunnen

  1. S. Mueller

    Das war bei uns auch so. Vor drei Jahren war unsere Pumpe defekt und wir hatten endlose Korrespondenz mit dem Bezirksamt. Da es eine Pumpe aus Bundesmittel ist – dann mit der Stelle dort die wieder ans Bezirksamt verwies… Irgendwann war die Pumpe unangekündigt repariert und hilft uns seit dem wieder die Baumscheiben mit Wasser zu versorgen… Verstehe einer die Ämter 😉