Kreuzberger Chor »con forza« verabschiedet die Briten und feiert Geburtstag
Wer erleben will, wie toll so ein Chor klingt, muss nur zu einer Probe von »con forza« gehen. Nach ein paar Lockerungsübungen jagt Chorleiter Horst Zimmermann die Kreuzberger Sängerinnen und Sänger die Tonleiter hinauf und hinunter. »Na-na-na-na« machen sie zum Einsingen. »Sa-sa-sa-sa« und dann »di-bi-di-bi-di«. Warm und atmend füllen ihre Stimmen den Raum, plötzlich kriegt man selbst Lust mitzusingen. Zimmermann, das zeigt sich schnell, hat vor gar nichts Angst: nicht vor Triolen, heimtückischen Synkopen und auch nicht vor bösen Rhythmuswechseln.
Ein paar Tage später, beim Konzert im Nachbarschaftshaus in der Urbanstraße, war der große Saal, der ziemlich groß ist, komplett voll. Auf dem Programm standen Lieder von Johannes Brahms, Stücke von John Dowland und anderen Engländern aus der Shakespeare-Zeit sowie eine Auswahl aus der Chorkantate »1848« von Rudolf Stodola – dem früheren musikalischen Leiter der legendären Theatermanufaktur.
Es war eine Art Abschied von den Briten, die jetzt die EU verlassen wollen und schon immer gern eigene Wege gingen. Im 16. Jahrhundert, als sich in den Messen Palestrinas in Italien die Mensuralnoten noch breit und breiig über die Notenlinien schoben, hatten sie etwas erfunden, was später der moderne Akzentstufentakt werden sollte: einen frischen, natürlich betonten, tänzerischen Rhythmus, der sogar den notorisch traurigen Dowland nicht kalt ließ.
Das klingt sehr viel einfacher als es ist und als dann bei »The Lowest Trees Have Tops« die Bäume tatsächlich ein wenig zu wackeln begannen, lächelten alle entschuldigend und fanden das eher lustig und gar nicht schlimm.
Nach der Pause kam der Partnerchor »Echo 36« mit auf die Bühne und zeigte, was die Briten vergessen haben: Dass es gemeinsam noch viel besser geht. »We feel no cares«, jubelten die hellen Soprane in einem wunderschönen Madrigal von Michael East. »Wir haben keine Angst«, bestätigten Alt und Tenor mutig. Dann kam es noch einmal zuverlässig und tröstend von unten, vom Bass: »We feel no cares, we feel no cares« – und für einen Moment war wirklich alles gut.
Weil »con forza« in diesem Jahr 35 wurde, gab es Rosen für Chorleiter Zimmermann, ein unglaublich leckeres Buffet und sogar Tanz. »Thank You for the Music«, hatte er zu Beginn gesagt. Das war natürlich ein Zitat von Abba, aber auch eine Hommage an die Briten, die nicht nur Dowland, sondern auch die Beatles und Rolling Stones hervorgebracht haben. Und es dürfte so ungefähr das gewesen sein, was viele Besucher dachten, als sie am Ende durch die kalte Nacht nach Hause gingen.
Kontakt: con forza