mogblog unternimmt ein einzigartiges Experiment
Cordelia ist an allem schuld! Das Lieblingsbier in der Stammkneipe war schon ausgetrunken, da murmelte sie im Hinausgehen eher nebenbei: "Sagt mal, meint ihr eigentlich auch, dass man dürres Kastanienlaub am Geruch erkennen kann? Irgendwie säuerlich, finde ich." Öhm. Es war Herbst, die Straßenbäume im Kiez bekamen gelbe Blätter, manches Laub fiel auch schon und roch, wie welkes, dürres, zuweilen feuchtes Laub riecht. Nach Herbst eben. Ja und aus Kastanien konnte man lustige Tiere basteln. So viel wussten wir. Mehr aber nicht.
"Glaub ich nicht. Welkes Laub riecht immer gleich", meldete sich sofort einer zu Wort. Aber den Dingen musste natürlich auf den Grund gegangen werden. Ein Geruchstest, jawohl, ein Experiment! Im Dienste der Wissenschaft! Welche Bäume gibt es im Kiez? Scharlach-Kastanien, Platanen am Mittelstreifen der Gneisenau, Baumhaseln zwischen den Hochbeeten, Linden natürlich, auf dem Friedhof einige Birken. Nur die Eiche am Spielplatz war noch viel zu grün. Also von jeder Sorte welke Blätter sammeln und in Glasdosen stecken, die mit den Zahlen eins bis fünf markiert wurden.
Folgende Versuchsanordnung: Die mogblog-Geruchstesterinnen Cordelia, Cornelia und Marie verbanden sich die Augen und schnupperten an den Proben, ohne zu wissen, um welchen Baum es sich handelte. Sie sollten versuchen, die Düfte zu beschreiben, die ihnen da aus den Dosen entgegenschlugen, und am Ende noch einen Tipp abgeben. Eine entschieden anspruchsvolle Aufgabe! Schwer genug, verschiedene Geschmacksrichtungen in Worte zu fassen - um wie viel schwerer musste es bei Gerüchen sein! Als Großstädter könnte man sich schon etwas darauf einbilden, die Bäume auch nur an ihren Blättern zu erkennen. Aber hier das Resultat dieses - soweit wir wissen - bisher weltweit einmaligen naturwissenschaftlichen Experiments. Am Ende der jeweilige Tipp:
(1) Linde
Cd: Erinnert mich ein bisschen an Curry. Sehr würzig und lecker! Und viel würziger als das, was bei manchem Inder ans Essen rangetan wird. Ich muss raten: Baumhasel?
Cn: Würzig! Ich finde das aromatisch. Und gleichzeitig so luftig! Linde!
M: Ein bisschen erdig. Wie Tee! Linde!
(2) Platane
Cd: Riecht nach Friedhof und ziemlich durch und viel verrotteter als das erste. Totes Laub halt. Kommt mir fürchterlich bekannt vor, das kenne ich von Gärten und vom Herbst: Kastanie!
Cn: Auch würzig, aber erdiger. Schwer, sehr tragend, ein bisschen atemberaubend. Vielleicht die Baumhasel?
M: Das riecht ganz anders. Kann ich nicht sagen. Baumhasel?
(3) Kastanie
Cd: Wieder ein bisschen mehr Gewürz. Aber es riecht relativ wenig. Schwierig. Eher mild. Ein bisschen nichtssagend: Linde!
Cn: Mmmh! Sehr aromatisch. Wild! Kastanie!
M: Man riecht ein bisschen Erde. Eine Mischung zwischen Tabak und getrocknetem Tee: Kastanie!
(4) Baumhasel
Cd: Hier rieche ich einfach gar nichts. Das Laub ist zu trocken. Und es waren auch schon viele Proben. Platane?
Cn: Ihhh! Das stinkt! Finde ich unangenehm. Fürchterlich. Sehr muffig. Platane!
M: Oh je! Das erinnert mich an Katzen. Irgendwie katzenmäßig, mag ich gar nicht: Birke!
(5) Birke
Cd: Das hat was Säuerliches und Frisches und duftet nach frischem Laub: Birke!
Cn: Oh, das ist ja ganz was Süßes. Sehr lieblicher Duft, ein bisschen stechend: Birke!
M: Ah, das ist fast wie eine Weide mit Tieren. Angenehm flüchtig. Duftet nach Weite und nach Gras: Platane!
Das Ergebnis ist absolut umwerfend. Das dürre Laub der verschiedenen Bäume duftet tatsächlich ganz unterschiedlich: Lindenblätter riechen anders als die welken Blätter einer Platane oder einer Kastanie. Die Linde erinnert vielleicht an ein tabakgeschwängertes Wohnzimmer mit viel Leder und heißem Tee, die Platane ist schwerer, fast schon metallisch, die Kastanie fruchtig und intensiv. Auch die Testerinnen selbst fanden die Unterschiede "sehr beeindruckend".
Mindestens genauso überraschend aber, dass sie mit ihren Tipps erstaunlich oft richtig lagen. Cornelia erkannte drei Bäume allein an ihrem Geruch - und verwechselte nur Baumhasel und Platane (was damit zusammenhängen könnte, dass die Baumhasel ein recht exotischer Baum ist, von dem man kaum eine klare Vorstellung hat). Aber auch Marie und Cordelia trafen häufig. Zur Linde ist noch zu sagen, dass sich auch ein paar Samen in die Dose schmuggelten, was die Bestimmung vielleicht erleichterte. Und die Haselblätter moderten schon eine Weile auf dem Hochbeet herum, das würde den muffigen Geruch erklären. Ja, kein Experiment ist vollkommen.
Herzlichen Dank an die Geruchstesterinnen. Es hat viel Spaß gemacht!