Peace Train wird mit dem Silvio-Meier-Preis ausgezeichnet
Als sie die Nachricht erhielten, "waren wir total geflasht und konnten es erst gar nicht glauben", berichtet Franziska Houmsi. Noch heute zittert ihr vor Bewegung ein bisschen die Stimme. Der Verein Peace Train e.V. aus der Kreuzberger Hornstraße bekommt vom Bezirksamt in diesem Jahr den Silvio-Meier-Preis. Verliehen wird er am Donnerstag, dem 13. Juli, im Jugend(widerstands)museum in der Galiläakirche in der Rigaer Straße. Ausgezeichnet wird auch die in Gambia geborene Journalistin und Aktivistin Nyima Jadama.
Peace Train e.V. unterstützt geflüchtete Kinder und Jugendliche und hilft ihnen dabei, traumatische Erfahrungen künstlerisch zu verarbeiten. Als 2015 immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland strebten, "setzten wir uns zusammen", erinnert sich Mohamed Majdeddin Houmsi, der selbst 1980 aus Aleppo nach Berlin kam. "Wir waren mehrere Künstler und haben gesagt: Wir müssen etwas unternehmen. Was ist mit den Kindern? Wir wollen ihnen Möglichkeiten geben, ein bisschen Farbe, dass sie ihr Hobby ausleben können, dass sie ihre Aggressivität ausleben. Das haben wir begonnen in verschiedenen Unterkünften und auch Schulen machen das jetzt seit acht Jahren."
Niemand kann besser erzählen, wie alles begann, als Franziska selbst: "Wir sind immer mit zwei, drei vollgepackten Koffern in die Heime gefahren, nach Spandau, nach Mitte, nach Kreuzberg, im Wedding, im Moabit waren wir, wir sind da reinmarschiert, haben unsere Koffer ausgepackt, im Nu waren zehn, 20, 30, 40 bis 100 Kinder um uns herum. Es war Wahnsinn. Manchmal konnte man das gar nicht stemmen und wir haben gemerkt, dass ein unheimlich großer Bedarf da ist bei den Kindern. Die Eltern waren alle beschäftigt, die standen Tag und Nacht vorm Lageso, und die Kinder waren halt bei uns. Wir haben ein bisschen versucht, ihnen ohne Druck, ohne Thema, ohne alles ... Einfach: Ihr könnt hier spielen, ihr könnt hier loslegen mit Farbe. Im Nachhinein, wenn ich mich zurückerinnere, wir konnten alle uns nicht verständigen, aber es hat prima geklappt, und die Kinder haben irgendwann von alleine die Sachen gemalt, die sie bedrückt haben.
Und das war für uns so dieser Kick. Wir haben irgendwas richtig gemacht. Wir haben sie nicht bedrängt, wir haben nicht gesagt: Erzähl mal deine Geschichte. Wir haben nie gefragt: Wo kommst du her? Wir haben nie gefragt: Was ist mit deiner Familie? Wir haben die Kinder einfach so genommen, wie wie waren. So haben wir das in allen Heimen weitergemacht. Dann haben wir natürlich auch erwachsene Leute kennengelernt, die Eltern. Wir sind selbst Künstler, wir haben viele Künstler kennengelernt. Es war schon immer unser Traum, auf Augenhöhe alle zusammen zu bringen und zu zeigen, ey, das sind so coole Leute, das sind so tolle Menschen, die uns so bereichern können. Und es ist interessant, mit ihnen zu leben und ihre Geschichten zu erfahren."
Das Echo auf acht Jahre ehrenamtliche Arbeit ist enorm. Bei der Vernissage der soeben beendeten Regenbogen-Ausstellung auf dem Dragonerareal, berichtet Kommunalpolitikerin Hannah Sophie Lupper (SPD), "war die Hütte voll mit jungen Leuten im Peace-Train-T-Shirt". Sie sitzt selbst in der Jury und hat ein bisschen mitgeholfen, dass es mit dem Preis klappt, nachdem Peace Train zuvor schon mehrfach nominiert worden war. Und was ist nun so besonders an dem Verein? "Es gibt in Berlin ganz wenige Initiativen, die solche Konzepte umsetzen. Die so lange, so beharrlich und so viele junge Leute an einen Tisch bringen und dazu bringen, Kunst zu produzieren. Die ganze Community-Work, die hier entsteht, die künstlerische Produktion, das ist hochkarätig. Das ist in jeder Hinsicht ein großartiges Projekt!"
Update 09.07.2023: Text leicht überarbeitet.