Monika von Wegerers Zeichnungen im NHU
Besucht man Galerien, Ausstellungen oder eine Vernissage, stehen da oft viele Leute herum, machen "Ah!" und "Oh!" und in der Begleitung findet sich dann sicher jemand, der bedeutungsvoll über Einflüsse von diesem auf jenen doziert oder darüber, wie hier "experimentelle Räume strukturiert" oder die "Möglichkeiten menschlichen Daseins ausgelotet" werden. Irgendwann stellt man fest, dass einen die gezeigten Bilder nicht weiter berühren. Viel lieber hätte man jetzt einen doppelten Espresso und Rücken kriegt man nach einer halben Stunde sowieso.
Mit Monika von Wegerers Zeichnungen ging es mir ganz anders. Sie hängen im Nachbarschaftshaus in der Urbanstraße, in der Bibliothek und im Foyer, und sind dort noch bis zum 6. Januar zu sehen. Natürlich habe ich mich gefragt, warum mir vor allem die lustigen, verspielten Porträts sofort gefielen. Weil sie so herrlich verrückt sind, klar. Das wiederum hängt nicht zuletzt mit den kräftigen, satten Farben zusammen: leuchtendes Gelb gegen dunkles Blau, Orange mit Rot und Grün, Ziegelrot vor hellen Blautönen. "Ich liebe Farben", sagt die Künstlerin selbst. "Man probiert da halt immer wieder neue Kombinationen!"
Die 76-jährige Berlinerin ist Mitglied der Künstlergruppe Blaue Ampel und eigentlich Fotografin. In London hat sie vier Jahre lang studiert, an der UDK, bei der Fotografie am Schiffbauerdamm, hat als Werbefotografin ihr Geld verdient, Bücher gestaltet und Foto-Ausstellungen beschickt. Aber nebenbei immer wieder gezeichnet und gemalt. "Schon als Kind habe ich Comics abgezeichnet, Fix und Foxi oder Donald Duck. Das war so phasenweise. Und die letzten Jahre zeichne ich eben ganz viel. Mit dem Stift in der Hand kann ich alles um mich herum vergessen."
Vertraute Szenen: spielende Kinder unter einem farbenprächtigen Baum, gesprenkelte Stare über grünem Wasser, Seerosen, Ruderboote, eine bunt aufblühende Blume vor grauem Wohnghetto. Weniger gegenständlich als ornamental, mit einer entschiedenen, an Holzschnitte oder Linoldrucke erinnernden Linienführung. Plädoyers für das Farbige, Bunte, Lebendige, könnte man interpretieren, aber auch viel Ruhe und Zusichkommen. Betont bunt sind auch die Porträts. Nein, "keine lebenden Personen", wehrt die Künstlerin ab. "Ich lasse den Stift laufen und etwas nimmt Gestalt an. Es ist Freude am Spiel, ein Spiel mit Farben und Formen."
Die "Écriture automatique" der Surrealisten kommt einem in den Sinn. Gesichts-Tattoos der Maori auf Neuseeland und anderer indigener Völker. Auf jeden Fall farbenfroh illustrierte, bunt geschmückte Wege nach innen. Und was erkennen wir? Beide Gesichtshälften unterscheiden sich. Manchmal befinden sie sich im Gleichgewicht, bei anderen kontrastiert Rot mit Blau, manchmal strebt die eine Hälfte nach oben, die andere wirkt wie eingedrückt. Tränen, gesplittertes Glas unter den Augen, Energielinien an der Nasenwurzel und unten am Kinn. Würde ich mich selbst so von innen her malen, denke ich, würde ein kleiner, freundlicher Dämon auf meiner rechten Schulter sitzen.
Kontakt: Monika von Wegerer