Graureiher (Ardea cinerea): Besitzer von Forellenteichen können ihn gar nicht leiden
Fast wirkt er ein bisschen arrogant. Während sich Eichhörnchen ohne jede Scham an jeden heranknuddeln, der nur von ferne mit einer Haselnusstüte raschelt, und die Lachmöwen am Urbanhafen sich für ein paar in die Luft geworfene Brotkrümel schier in Stücke reißen, steht der Graureiher (Ardea cinerea) vornehm und stoisch auf seinem Ast, allenfalls dass er in gespielter Langeweile einmal die langen Beine kreuzt. Aber das ist nur Fassade. Niemand beobachtet das Wasser aufmerksamer und gespannter als er und wenn nach ein, zwei Stunden doch noch ein Frosch eine kleine Welle macht, schiebt er langsam den Kopf nach vorn und schlägt blitzschnell zu.
Tauben, Spatzen, Enten sind leicht zu finden, aber Graureiher muss man suchen. mogblog hat im Britzer Garten welche entdeckt, am Weiher Lindenhof, im Tiergarten und nach einer Weile schließlich auch in Kreuzberg am Teich im Görlitzer Park. Jedoch ist der schöne, elegante Vogel nicht leicht zu fotografieren: Kommt man ihm einen Schritt zu nahe oder macht eine falsche Bewegung, wirft er sich mit langsamem, schaufelndem Flügelschlag in die Luft. Und man erkennt überrascht, wie groß und mächtig der Fischfresser ist.
Für Derk Ehlert, den Wildtierbeauftragten des Berliner Senats, ist das natürlich Routine. Vor 80 Jahren sei der Graureiher selbstständig in Berlin eingewandert, berichtet er. Mittlerweile gebe es mehr als 200 Brutpaare in der Stadt. Und nein, eigentlich seien die Vögel nicht besonders scheu. Ab und zu stünden welche ganz nah bei Anglern herum und bekämen auch was vom Fang. Andere kontrollieren regelmäßig bestimmte Teiche in Mitte und Schöneberg: "Sie gucken nach, ob die Leute Goldfische reingesetzt haben, und die holen sie sich dann."
Graureiher haben eine Spannweite von fast zwei Metern und sind Generalisten: Sie mögen Fische, Frösche, Molche, Schlangen, Wasserinsekten, aber auch Ratten, Wühlmäuse, Feldmäuse und Regenwürmer. Im Flug kann man sie an ihrem zurückgezogenen Kopf gut von Kranich und Storch unterscheiden. Sie brüten gern in Kolonien hoch in Bäumen, deren Stämme dann von ihrem weißen Kot wie gekalkt erscheinen. Und diese Hinterlassenschaften sind angeblich so ätzend, dass die Bäume langsam, aber sicher absterben.
Bei Kämpfen verletzen sich die Vögel mit dem prägnanten gelb-orangen Schnabel zuweilen gegenseitig, Waschbären räumen die Gelege aus. Ihr größter Feind jedoch sind hysterische Besitzer von Forellen- und anderen Fischteichen, weshalb die Graureiher-Population in Deutschland in den 1960er Jahren auch drastisch zurückging. Weil ihr natürlicher Lebensraum schrumpft, haben sie sich inzwischen mit Lärm, Gestank und dem Müll der Großstadt arrangiert. Tief im Herzen aber träumen sie, wenn sie so bedächtig und stolz durch das Wasser schreiten, von flachen Seen, endlosen Sümpfen, leeren Stränden und dem grauen, wolkenverhangenen Himmel darüber. Ganz sicher.