Der Kreuzberger Wrangelbrunnen gibt Rätsel auf
Es gab Zuschriften. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an diesen heißen Tag Ende August, als mogblog sich mitten im Gluthauch des Klimawandels mutig auf die Suche nach Wasser und Schatten spendenden Zierbrunnen im Bezirk machte - mit ernüchterndem Ergebnis. "Funktioniert denn wirklich kein einziger?", wollten daraufhin mehr als eine Leserin entsetzt wissen. Doch. Ganz so schlimm ist es auch nicht. Der Fünf-Wasser-Tiegel am Marheinekeplatz wurde inzwischen repariert, auf den Feuerwehrbrunnen am Mariannenplatz haben wir hingewiesen und dann ist da noch der legendäre Wrangelbrunnen an der Grimmstraße, von dessen Brunnenschalen es erquicklich heruntertropft.
"Ohne Zweifel darf der Wrangelbrunnen als die schönste aller Kreuzberger Brunnenanlagen bezeichnet werden", schreibt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt auf einer aktuell nicht mehr zugänglichen Webseite. Der Brunnen wurde nach dem preußischen Generalfeldmarschall Friedrich von Wrangel benannt, 1877 von dem Bildhauer Hugo Hagen geschaffen und stand zunächst am Kemperplatz in Tiergarten. Im Jahr 1902 musste er dort dem Rolandbrunnen weichen und wurde auf seinen heutigen Platz zwischen Grimm-, Urban-, Körte- und Fichtestraße versetzt. Wo er - so die Senatsverwaltung - "für sich in Anspruch nehmen kann, diesen Platz im Sinne eines harmonischen städtebaulichen Ensembles atmosphärisch zu verdichten".
Viel Berliner Geschichte. Immerhin war "Papa Wrangel" derjenige, der im November 1848 die Revolution - wenn auch unblutig - niederschlug. Der spätklassizistische Schalenbrunnen zeigt unten die Flüsse Rhein, Elbe, Oder und Weichsel, allegorisch und grammatikalisch korrekt dargestellt als Männer- (Vater Rhein mit dem Schwert) und Frauenfiguren. Eine Etage höher symbolisieren vier kleine Putten Handel, Künste, Wehrkraft und Ackerbau. Aus heutiger Sicht mag man sich am politisch inkorrekten Namensgeber, aber auch an der preußisch-imperialen Konzeption insgesamt stoßen, wo es um Territorien geht und auf einen Mann zwar drei Frauen treffen, aber der halb entblößte Frauenkörper doch als Ausdruck für Herrschaftsansprüche alter weißer Säcke missbraucht wird. Oder jedenfalls so ähnlich.
Den unbefangenen Betrachter überraschen eher Ausdrucksstärke, Klarheit und Schönheit der Komposition, besonders im Zusammenspiel mit den funkelnden Wassertropfen, und er bekommt einen Eindruck davon, was bei der Hinwendung zu Neuer Sachlichkeit, Bauhaus und moderner Industriearchitektur alles auf der Strecke blieb. Witzigerweise herrscht keineswegs Einigkeit über die Zuordnung der weiblichen Figuren: Hält die Oder ein Modell der Festung Küstrin in der Hand, das Ruder symbolisiert die Weichsel und der Raddampfer "Königin Elisabeth" durchpflügt die Elbe? Oder ist die Festung Küstrin nicht vielmehr die Dirschauer Brücke, die Oder also die Weichsel, das Ruder steht für die Elbe und der Raddampfer zusammen mit einem Weberschiffchen dann für die Oder? mogblog tippt auf Letzteres.
Noch der Vollständigkeit halber: Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) haben inzwischen auf eine mogblog-Anfrage zu den Zierbrunnen geantwortet. Der Drachenbrunnen am Oranienplatz werde durch das Bezirksamt saniert, heißt es. Der Quellstein am Zollhaus ebenfalls, dort wird eine neue Brunnenstube errichtet. Der Schmuckgarten-Brunnen im Görlitzer Park sei wegen Undichtigkeiten und Eindringens von Wasser in die Brunnenstube im Laufe dieses Sommers stillgelegt worden und der Cuvrybrunnen gegenwärtig leider defekt. Insgesamt betreuen die BWB in Friedrichshain-Kreuzberg 57 Wasseranlagen, davon seien mit Stand Mitte September immerhin 41 in Betrieb, so die Auskunft. Mitte Oktober werden sie zwecks Winterruhe ohnehin alle abgestellt.