mog61 kocht für Obdachlose und mogblog war dabei
Mogblog versucht es mal wieder mit Abnehmen. Intervallfasten. Funktioniert eigentlich ganz gut. Drei Tage lang nichts essen, die Düfte von fetten Pommes und Döner inhalieren und dann zum Wochenende eine kleine Belohnung - gerne auch Chips und Gummibärchen. Wenn man so kurz vor dem Verhungern ist, wird man natürlich spätestens am dritten Tag von den delikatesten Fantasien gequält. Aber mogblog bleibt standhaft, lässt die Kühlschranktür fest verschlossen und labt sich stattdessen an bunten Bildern und an Erinnerungen.
Sieben Wochen lang hat der gemeinnützige Verein mog61 Miteinander ohne Grenzen e.V. Eintopf für Obdachlose gekocht. Im Nachbarschaftshaus in der Urbanstraße, erst für die Passionskirche, und als diese wegen der milderen Temperaturen über Nacht wieder ihre Türen schloss, für eine Notunterkunft der Berliner Stadtmission in Reinickendorf.
Nun versteht mogblog nicht viel vom Kochen, also Dosen-Öffnen geht schon oder diese Fertiggerichte, die man nur in den Backofen schieben muss. Aber wir wollen lernen und haben deshalb beim Schnippeln geholfen, angebrannte Reste aus den riesigen Töpfen gekratzt, Kartoffelschalen auf dem Boden zusammengekehrt und den Spitzenköch*innen um mog-Chefin Marie neugierig über die Schulter geguckt. Und das haben wir dabei gesehen und erlebt:
Allein schon diese wahnsinnige Spülmaschine! Das Nachbarschaftshaus besitzt eine schöne Küche und da steht rechts neben der Spüle eben dieses große, würfelförmige Metallding. Der Aufsatz wird hochgeschoben, das schmutzige Geschirr in einen viereckigen Plastikkorb einsortiert, die Haube senkt sich und ohne dass irgendjemand auf einen Knopf drücken müsste, geht es bereits mit dem Spülen los. Das ist künstliche Intelligenz! Noch versucht man, den Vorgang zu begreifen, da fängt das Gerät schon zu blinken an und bedeutet: "Ich bin fertig!" Haube hoch, das heiße Geschirr eine Minute trocknen lassen - alles erledigt. Für jemanden, der zuhause per Hand abwäscht, ist das eine Offenbarung.
Dann ist da die Sache mit der Brühe. Ja, natürlich kann man auch billige Suppenwürfel ins Wasser werfen, Gemüsebrühe, Rinderbrühe oder - ein paar Geschmackstufen höher - einen Fond aus dem Supermarkt nehmen. Bei großen Mengen ist das aber viel zu teuer. Also lernt der Koch-Lehrling schnell, dass er sich selbst um den Fond kümmern muss - entweder aus Gemüse oder aus Suppenknochen.
Denn die Brühe oder der Fond oder die Sauce macht am Ende den Unterschied! Ob Bohnen und Karotten ewig fremd zueinander bedeutungslos in der Suppe herumschwimmen oder miteinander kommunizieren, einander ergänzen und ein Ganzes bilden. Die Brühe legt das Fundament, sie muss eine Brücke bauen und entscheidet darüber, ob man danach einfach nur satt ist oder noch eine halbe Stunde später dem leckeren Geschmack im Mund hinterherspürt.
Absoluter Höhepunkt aber waren die selbstgemachten Spätzle Bolognese "Gran Gusto"! Gran Gusto bedeutet mageres Rinderhack, Tonnen von Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Tomatenmark, das alles stundenlang geköchelt und umgerührt, ein bisschen Pfeffer, etwas mehr Oregano und natürlich geriebenen Parmesan in rauhen Mengen. Der Koch-Dilettant schnippelt Zwiebeln und sieht dann staunend Köchin Charly zu, wie sie den hellgelben Spätzle-Teig mit bloßen Händen knetet und schlägt, wie aus der Presse die runden Fäden ins kochende Wasser tropfen und sich in den rechteckigen Transportbehältern immer mehr goldgelbe Nudeln ansammeln.
Der große Moment! Die Nudeln dampfen, die ganze Küche duftet schon nach der leckeren, knoblauchgeschwängerten Hackfleischsauce. Die erste Gabel ... Und wie schmecken die Spätzle? Irgendwie fest und bissig, rund, satt, voll von ... und plötzlich wird einem klar, dass all die bisherigen Nudeln aus dem Supermarkt gar keine Nudeln gewesen sind, sondern nur so taten, als ob sie welche wären.
Es ist wie damals, als man nach jahrzehntelangem billigem Emmentaler und Gouda vom Discounter zum ersten Mal bei Knippenbergs in der Markthalle diese würzigen Käse aus den Schweizer Alpen probiert hat, deren Namen allein schon Poesie sind: Via Mala, Chällerhocker, Nonnenstolz. Danach ist das Portmonee leer, aber die Geschmacksknospen im Mund wachen auf, blicken sich verwundert um und dann sagen sie nur noch: "Ohhhhhhh!"
So. Jetzt hab ich aber einen Hunger! Mal nachschauen, was noch alles im Kühlschrank ist.
Info: EinTopf für alle!