Postmoderne Synthese aus Neugotik und Industriearchitektur
Wer aus dem lieblichen Süddeutschland stammt, wo bereits eine blühende Zivilisation existierte, als hierzulande gerade die ersten Sümpfe trockengelegt wurden, und im Schatten von Fachwerkhäusern und großen Kathedralen aufwuchs, mag die Nase rümpfen über eine Kirche, die zwischen 1885 und 1888 "in gotischen Formen" errichtet und sodann im Beisein von Kaiser Willhelm II. eingeweiht wurde. Wer wollte denn in dieser Zeit noch ausgerechnet Kirchen bauen? Eisenbahn! Elektrizität! Telegraf! Eisenbeton! Kathodenstrahlröhre! Otto- und Dieselmotor! Automobil!
Aber diese Perspektive greift zu kurz. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde die Heilig Kreuz-Kirche 1951-59 wiederaufgebaut und mit der Sanierung 1995 entstand eine atemberaubende Synthese aus Neugotik und moderner Industriearchitektur, ein gleichsam postmoderner Innenraum, der die übliche Trennung von geistlich und weltlich locker überspielt. Draußen prägt der massive Bau die Sichtachsen bis zu Südstern und Möckernbrücke. Drinnen steht man berührt unter den dreieckigen Stoffsegeln und fragt sich, was das wohl für ein Wind ist, der diese Segel füllt.