Ökologischer Trittstein im Kreuzberger Urbanhafen
Inseln fallen in der Regel nicht vom Himmel. Manchmal taucht eine ganz überraschend aus dem Wasser auf. Ältere Semester mögen sich an einen unterseeischen Vulkanausbruch südlich von Island erinnern, dem die Insel Surtsey ihr Dasein verdankt. Auch Jimbala ist dafür ein Beispiel, welches sich bekanntlich eines Tages rund um das sagenhafte Lummerland aus dem Meer erhob. Kreuzberg besaß bisher nur eine einzige Insel, die Lohmühleninsel. Ende Mai hat es ganz überraschend zwei weitere bekommen - eine davon im Urbanhafen am Landwehrkanal.
Das ist das Verdienst der schottischen Firma Biomatrix Water, die sich auf schwimmende Inseln aus Kokosmatten spezialisiert hat und auch in Berlin zeigen wollte, wie gut das funktioniert. Nun sind schon seit einer ganzen Weile ökologische "Trittsteine" entlang des Landwehrkanals im Gespräch, ohne dass daraus bisher etwas geworden wäre. Also griffen alle Beteiligten erfreut zu: Biomatrix stiftet die Insel, das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) kümmert sich um die Bepflanzung, das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) um das wissenschaftliche Monitoring. Und weil das WSA als Behörde nicht so einfach etwas geschenkt bekommen darf, übernimmt der Verein "Bäume am Landwehrkanal e.V." eine Art Patenschaft.
Natürlich ist das alles etwas komplizierter, als es zunächst klingt. Was soll auf so einer jungfräulichen Insel wachsen? Carex acutiformis, Cornus sanguinea und Filipendula ulmaria vielleicht? Man müsste auch aufpassen, dass darunter nicht der Sauerstoff knapp wird - was ganz schlecht für Fische und Makrozoobenthos (bitte mal googeln!) wäre. Vertragen die Kokosmatten überhaupt den Dreck aus der Kanalisation, der ganz besonders bei Sommergewittern im Landwehrkanal landet? Und sollte das kleine ökologische Paradies in der Anfangszeit vielleicht besser eingezäunt werden, damit hungrige Schwäne dem armen Grün nicht gleich wieder den Garaus machen?
Mitte Mai kam die rund 7,00 mal 3,50 Meter große Insel an und wurde gleich auf der Wiese am Urbanhafen unter Mithilfe engagierter Anwohner bepflanzt. Eine zweite war für das Studentenbad an der Ratiborstraße bestimmt. "Es ist ein Projekt für Bürger mit Bürgern", sagt Björn Röske vom WSA Spree-Havel. Das Projekt soll zunächst einmal zwei bis drei Jahre laufen. Dabei geht es nicht nur um Flora und Fauna, es ist auch ein soziologisches Experiment - deshalb wurden ein exponierter (Urbanhafen) und ein eher ruhiger Standort (Studentenbad) ausgewählt. Röske: "Wir wollen sehen, ob das eine Chance hat oder irgendwann nur kaputtgehauen wird."
Denn die größte Gefahr für die grüne Idylle sind weniger gefräßige Höckerschwäne oder verwirrte Biber, welche die Trossen anknabbern, mit denen sie verankert ist. Sondern gewöhnliche Kreuzberger, die mit ihrem Müll um sich werfen oder plötzlich auf die abwegige Idee kommen könnten, hoch auf das kleine Eiland zu klettern und von dort aus ins Wasser zu springen. Weiß man ja nie heutzutage.
Nicht weit von der Stelle entfernt gab es übrigens schon einmal eine Insel im Urbanhafen, eine viel größere trapezförmige Ladeinsel mit Hubbrücke, an der bis zu 70 Kähne anlegen konnten (auf dem Foto rechts hinten die Baerwaldbrücke). 1963/64 wurden das Hafenbecken aufgefüllt und der Seitenkanal zugeschüttet. Ungefähr dort befindet sich heute der große Parkplatz vor dem Urbankrankenhaus.