Auf dem Grund des Landwehrkanals rosten die Schlüssel
Wer offenen Auges durch Kreuzberg spaziert, bemerkt seltsame Dinge. Da baumeln Turnschuhe hoch in den Bäumen oder man entdeckt plötzlich Vorhängeschlösser am Brückengeländer. Wo Verliebte früher ein Herz in die Baumrinde schnitten, bringen sie heute ein Liebesschloss an. Der Brauch geht möglicherweise auf Italien zurück, auf die Ponte Vecchio in Florenz und die Milvische Brücke in Rom. Andernorts sind schon ganze Brückenteile unter dem Gewicht der Schlösser eingestürzt, in Berlin sind sie angeblich sogar verboten - aber die paar am Geländer der Waterloobrücke in der Alexandrinenstraße werden wohl niemanden stören.
Jetzt könnte man noch berichten, dass die alte Waterloobrücke von 1890/91 im Zweiten Weltkrieg zerstört und erst 1956/57 als schlichte, schmucklose Spannbetonbrücke wiederaufgebaut würde. Oder darüber räsonieren, ob sie nicht allerdringendst umbenannt werden müsste, weil "Waterloo" natürlich ein viel zu militaristischer Name ist. Haben wir aber eigentlich keine Lust zu und denken lieber an die zahlreichen Schlüssel, die jetzt als Symbol für die ewige Liebe auf dem Boden des Landwehrkanals liegen und unbeachtet vor sich hinrosten.