Eine Orgel zum Verlieben

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Instrument aus Massachusetts schmückt die Heilig Kreuz-Kirche

Ein bisschen schwergängig, aber sonst äußerst liebenswert - die Hook-Orgel in Heilig Kreuz. Foto: ks

Vor zwei Wochen hatte der Autor ein Date mit einer Orgel. Das sollte man nicht unterschätzen: Die Violine lockt vielleicht mit süßen, lieblichen Tönen. Aber wenn so eine Orgel alle Register zieht, beginnen nicht nur die Kirchenmauern zu zittern. Auch war es nicht irgendein Instrument, sondern die Hook-Orgel in der Heilig Kreuz-Kirche.

Und die ist etwas Besonderes. Sie wurde 1870 in Boston von den Brüdern Elias und George G. Hook für die Unitarian Church in Woburn (Massachusetts) gebaut – als in anderen Teilen der USA noch der Wilde Westen tobte. Aber die Zeit verging, die Kirche verfiel und im Sommer 1991 war es ein Berliner Orgelforscher, der das Instrument wiederentdeckte und den Ankauf durch den Evangelischen Kirchenkreis Berlin-
Kreuzberg vermittelte. Im Oktober 2001 wurde sie in der Heilig Kreuz-Kirche eingeweiht.

Die einzige amerikanische Orgel aus dem 19. Jahrhundert in einer deutschen Kirche. Und ein Schmuckstück gerade für Berlin, das nach dem Zweiten Weltkrieg die meisten seiner Orgeln verlor. »Instrumente von 1870 haben wir hier sonst nicht mehr«, sagt Matthias Schmelmer, bis Ende 2018 Kantor in Heilig Kreuz. Mendelssohn und Liszt kann man gut darauf spielen, Bach natürlich auch.

So große Orgeln sind immer Einzelstücke und haben persönliche Eigenheiten wie Lebewesen. Bei der Hook-Orgel klingt die Doppelflöte besonders schön, zusammen mit der Viola da Gamba und der Viol d’Amour. Dafür sind die Tasten etwas schwergängig und auch sonst gibt es »einige Tücken«, so Schmelmer. Die aber nichts daran ändern, dass »man sich schon sehr in dieses Instrument verlieben kann«.

Und dann sitzt man vor den drei Manualen und staunt die original erhaltenen handbeschrifteten Registerzüge an. Als sie entstanden, war gerade Abraham Lincoln ermordet worden und im nahen Connecticut sammelte Mark Twain Ideen für Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Man drückt ein wenig auf den Tasten herum, lauscht den Tönen hinterher und schwört zum soundsovielten Mal, wenigstens mit Klavierspielen wieder anzufangen.