Initiativen wollen mit "Clean-Up" Bewusstsein wecken
An einem warmen Spätsommernachmittag ist ein Spaziergang am Landwehrkanal nur zu empfehlen. Jede Menge Blau (Himmel), Grün (Bäume sowie Restwiese) und Weiß (Wolken). Dazu streicht der Westwind freundlich über das Wasser und duftet nach Meer. Und die warme Sonne! Am Samstag sitzen alle am Urbanhafen im Gras und chillen. Vor dem "Van Loon" ballen sich die Hungrigen, irgendwo wird lautstark Hochzeit gefeiert. Schwäne ziehen im Wasser ihre Bahn, ein paar lümmeln an Land herum und halten entspannt Nachmittagsschlaf.
Am Ufer bereitet Kajak-Guide Helge Großklaus seine sauber in blaue Schwimmwesten verpackten Kunden gerade auf eine abendliche Hafentour vor. Auf der anderen Seite des Weges ein improvisierter Stand mit einem Lastenrad voller Mehrwegbecher. Stiftung Naturschutz, "Alles im Fluss" und "Better World Cup" rufen zu einem "Clean-Up" auf: Einen Abend lang sollen die Uferbereiche des Landwehrkanals vom Müll befreit werden. Dazu liegen schon Reinigungszangen, Korkenmäher, Bergemagneten und kleine, mit Herzchen verzierte Müllbehälter bereit.
Und reichlich Infomaterial. Die Stadtnatur-Ranger der Stiftung Naturschutz fordern dazu auf, Enten und Schwäne auf keinen Fall zu füttern: "Das Futterangebot durch Menschenhand ist für Wasservögel lebensbedrohlich", heißt es. Better World Cup wirbt für Coffee-to-go mit dem Mehrwegbecher oder doch zumindest mit einem Pfandsystem. Alles im Fluss ist eine Initiative der wirBERLIN gGmbH und hat erst Ende Juni einen sehr bösen Brief an den Senat und an die Bezirksbürgermeister geschrieben: "Berlin wird derzeit von vielen als dreckigste Stadt Deutschlands wahrgenommen. Dabei kann und muss unsere Hauptstadt Vorbild sein!"
Zwei Stunden später, auf dem Rückweg von "Ketels Wurstspezialitäten", sind tatsächlich einige Müllhelden unterwegs. Ein hochgewachsener Mann stochert mit gebeugtem Rücken und Zange unter den Büschen herum und versucht mit großem Engagement, Papierfitzelchen in seinen Behälter zu befördern. Ein anderer bemüht sich an einer Bank mit dem gleichen Instrument um einzelne Zigarettenstummel. Da wären Schaufel und Besen wohl besseres Handwerkszeug. Am Ende ist die Ausbeute eher spärlich: fünf Müllsäcke, darunter auch altes Brot, ein gelber Gartenschlauch, ein paar Inline-Skater. Es ist halb acht Uhr abends und die Party am Ufer hat noch gar nicht begonnen.
"Es geht um das Bewusstsein", erklärt eine ältere Frau. Viele hätten heute nicht mehr gelernt, dass Abfall nicht einfach zu Boden geworfen, sondern in die orangen BSR-Mülleimer gehört (am Urbanhafen sind es übrigens, der Menge wegen, große Drahtbehälter). Nun ja. Wer eine Weile versucht hat, mit der Reinigungszange mühsam Zigarettenstummel vom Boden aufzulesen, bekommt sicherlich eine andere Einstellung zu dem Problem. Andererseits lassen sich die Tausende am Urbanhafen in den Boden getretenen Kronkorken mit solchen Nadelstichaktionen wohl kaum bewältigen. Da müsste man so einen "Clean-Up" schon als Schulfach einführen. Einmal im Schuljahr ein Vormittag, für alle Klassen.