Ein Parklet in der Fürbringerstraße erhitzt die Gemüter
Ob eine Bank oder ein Stuhl etwas taugt, merkt man schnell, wenn man sich darauf niederlässt. Rückenlehne sowieso, gerne auch an die Form der menschlichen Wirbelsäule angepasst, und die Sitzfläche bitte leicht gewölbt. Gemessen an solchen Maßstäben ist die neue Sitzgelegenheit in der Fürbringerstraße leider ziemlich unbequem. Seit Mitte Oktober steht vor der Hausnummer 21 ein sogenanntes Parklet. Viel Holz, ein hartes Bänkchen mit dem Rücken zur Straße, zwei kleine Blumenkübel und zwei sehr viel größere. Für Fachleute: Es ist eine Kombination aus Modul 1 und Modul 5 und damit eine ausgesprochene Luxusversion.
Das neue Stadtmöbel löst kontroverse Reaktionen aus. Genau genommen lassen sich sechs Fraktionen unterscheiden. Die einen können das, was doch der Verschönerung dienen soll, gar nicht leiden. "Es nervt", schimpft ein Anwohner. "Da wohnt wohl ein Typ, der meint, jedes einzelne Auto sei sein Feind! Wer soll denn das gießen? Wer macht den Dreck weg? Was glaubst du, wie lange das steht? Und nein, gefragt wurde hier niemand." Ein älterer Herr mit Hund sagt nur trocken: "Niemand braucht Bänke und irgendwelches Gemüse mitten auf der Straße. Es geht nur darum, wieder zwei Parkplätze kaputt zu machen. Pure Agitation! Oder glauben Sie, es gibt deshalb auch nur ein Auto weniger?"
Dann die Fans. "Ja, finde ich prima, weniger Blech, auf jeden Fall", freut sich ein Mann mit Fahrrad. Eine junge Frau, ebenfalls mit Hund unterwegs: "Das ist mir gleich positiv aufgefallen, wenn ich hier jeden Tag vorbeikomme. Schaut freundlich aus und gepflegt!" Dann macht sie noch eine Sitzprobe auf dem Bänkchen, rückt ein bisschen hin und her und berichtet: "Angenehm. Perfekt!" Noch ein Anwohner: "Gefällt mir gut! Aber leider steht es am falschen Ort!" Er hätte das Parklet gern direkt vor dem "unterRock" gesehen - aber das wäre schwierig, weil laut Vertrag nur eine gemeinnützige und keine gewerbliche Nutzung erlaubt ist.
Die Initiatoren um Philipp vom Gneisenau-Kiezblock sind voll guter Absichten. "Der Kiez leidet unter sehr viel Autoverkehr", bekunden sie, "da setzen wir einen grünen Kontrapunkt." Weil der hässliche Asphalt jetzt mit Erde überdeckt sei, helfe das Parklet gegen die Erhitzung der Stadt. "Es soll für alle da sein. Zum Hinsetzen und ein Glas Wein Trinken, für Ältere, die sich ausruhen wollen. Wir hoffen, dass es lange Zeit die Leute erfreut." Das Gießen übernehmen sie, ein Netzwerk unterstützt. Sicher nur der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein, ja - "aber jeder kleine Tropfen hat was".
Nun ist die Fürbringer eine ruhige Anwohnerstraße mit ohnehin schon vielen Sitzgelegenheiten zum Spielplatz hin, wo die größte Lärmbelästigung vermutlich vom "unterRock" ausgeht, wenn nach 22 Uhr auf der Terrasse zu laut gestritten wird. Fragt man sich viertens, ob künftig nicht noch mehr Krach ... Und wie das ist mit ärgerlichen Graffiti und wilden Müllablagerungen. Fünftens gibt es die Blumenfraktion. Sie bewillkommnet Gaura lindheimeri, Tauben-Skabiose, Sommerflieder, Lanzett-Herbstaster (sagt die Pflanzen-Erkennungs-App, ist sich dabei aber nicht sicher), Fuchsschwanz-Federborstengras, Argentinische Verbene und hübschen Woll-Ziest. Ausgesprochene Wildbienen-Leckerbissen. Hurra!
Sechstens treffen wir noch eine Frau mit Hund, sozusagen Kiez-Urgestein. "Alles schön und gut, aber ganz falscher Zeitpunkt", sagt sie. "Ab der Gneisenaustraße ist Parkraumbewirtschaftung, da zahlst du vier Euro die Stunde, also kommen sie alle hierher und knallen uns die Parkplätze voll. Da stehen sie, schau hin, oder da drüben, alle im Halteverbot. Und in den Einfahrten, ein kleines rotes Auto, das hat sieben oder acht Tage lang hier geparkt. Jemand hat da schon Butter auf die Scheiben geschmiert, weil die BSR die Mülltonnen nicht mehr abgeholt hat. Die sind einfach nicht mehr rangekommen!"
Manche träumen von Verkehrswende und Klimaschutz, lässt sich das wohl zusammenfassen, Leute mit etwas mehr Bodenhaftung hingegen hätten gern eine funktionierende Müllabfuhr - und dabei scheint das neue Stadtmöbel eher hinderlich. Am Ende meint jemand noch: "Ach, ist das alles inzwischen versnobt hier. Manchmal denk ich, am liebsten hätt ich die Mauer wieder!" Genau.
Anja
Kann es sein, dass die Leute, die Klimaschutz wollen, mehr Bodenhaftung haben? Frag ja nur…