Gans und Ente to go

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Kreuzberger Gastronomie im Corona-Lockdown (Teil 1)

Viele Tische, viele Stühle - aber keine Gäste in der Bergmannstraße. Foto: ks

Es schaut schlecht aus. Wer dieser Tage durch die Bergmannstraße schlendert, stößt überall auf weggepackte Tische und Bänke - vor allem aber auf versperrte Türen. Seit 2. November haben auch in Berlin alle Kneipen und Restaurants wegen der Covid-19-Pandemie für Gäste geschlossen. Erst hieß es, der neue Lockdown sei nur ein zeitlich begrenzter "Wellenbrecher", jetzt aber dauert er schon mindestens bis Anfang Januar und wie das im nächsten Jahr werden soll, weiß angesichts nach wie vor hoher Infektionszahlen keiner.

Für die Gastronomie ist das trotz versprochener staatlicher Hilfen eine Katastrophe. Viele Wirte verbreiten gegenüber ihren verbliebenen To-Go-Kunden demonstrativ gute Laune, aber in Wirklichkeit machen sich fast alle große Sorgen, man sieht es in ihren Gesichtern. Das bekannte Dodo in der Großbeerenstraße hat bereits angekündigt, wegen Corona zum Jahresende zu schließen. Anderen wird es nicht unbedingt besser gehen. Und es sind ja nicht nur die Wirte selbst, sondern auch die Beschäftigten, die unter dem erzwungenen Lockdown leiden. Häufig genug Niedriglöhner, die wegen der Kurzarbeit unter den Hartz-IV-Satz fallen, oder Minijobber, die sowieso keinen Schutz genießen.

In dieser schwierigen Situation möchte mogblog den notleidenden Gastwirtschaften im Kiez wenigstens ein bisschen zur Seite stehen. Deshalb haben wir hier als eine Art Service einmal zusammengetragen, wer im näheren Umkreis derzeit tatsächlich zu hat, wer offen hat, wo es trotz Lockdown immer noch superleckere Sachen gibt, und außerdem nach der Stimmung gefragt. Die Auswahl ist nicht frei von persönlichen Vorlieben, also willkürlich und alles andere als vollständig. Für die Daten, die sich schnell ändern können, übernimmt mogblog keine Gewähr. Da noch eine zweite Folge geplant ist, sind Tipps von Betreibern oder aufmerksamen Lesern und Leserinnen besonders willkommen.

Die sogenannte "Novemberhilfe" kann übrigens seit wenigen Tagen beantragt werden, eine "Dezemberhilfe" ist versprochen.


unterRock: So gelassen wie möglich ertragen

Nach einer Abschiedsparty ist der unterRock derzeit geschlossen. Foto: ks

Der unterRock in der Fürbringerstraße ist eine Raucherkneipe und deshalb natürlich zu. Am Sonntag, 1. November, gab es dem Vernehmen nach noch eine kleine Abschiedsparty mit einem leckeren Selfmade-Apfelkuchen von Gabi, Ricotta-Schneckchen von Petra und einer Tüte Pommes-Schranke von Marie, um „einen sanften Übergang in den bevorstehenden Lockdown“ zu ermöglichen.

Betreiber Harald Jaenicke schreibt dazu: "Natürlich sind wir not amused, dass der Laden geschlossen ist, Arbeit und Einkommen fehlen und einer der Treffpunkte im Kiez in den Zwangs-Winterschlaf geschickt wurde. Wir versuchen, die Situation so gelassen wie möglich zu ertragen.

Momentan kommen wir einigermaßen hin mit unseren Kosten. Wir haben versucht, uns nach dem ersten Lockdown so gut es geht auf den aktuellen vorzubereiten. Mit den öffentlichen Hilfen, eigenen Reserven und auch privater bzw. nachbarschaftlicher Hilfe werden wir noch einige Zeit aushalten. Aber wie lange, das kann momentan keiner genau sagen.

Wir hoffen natürlich, dass dieses Pandemie bald ein Ende hat. Dass wir uns bald wieder bedenkenlos in Bars, Cafés und Kneipen treffen können, um dort gemeinsam was zu trinken, ins Gespräch zu kommen und uns endlich wieder über die kleinen Probleme des Lebens zu ärgern. Wir hoffen, dass möglichst viel Gastronomie und Kultur diese Krise überlebt! Und wir wollen endlich wieder Live-Musik im oder auch vor dem UnterRock haben! Derzeit können wir leider nichts anbieten außer einer bequemen Bank vor unserer Kneipe, auf der es auch im Winter Spaß macht, mal eine Pause einzulegen."


Destille: Wir probieren das jetzt mal!

Nicht ganz auf neuestem Stand - die Öffnungszeiten am Pörx. Foto: ks

Beim Pörx ein paar Häuser weiter standen ein paar Tage lang noch die Bierbänke draußen, inzwischen sind sie verschwunden, der Eingang ist vergittert. Da kickert, flimmert oder meiningert im Moment gar nichts mehr – auch wenn die Tafel draußen und das Internet drinnen offenbar diesen Stand noch nicht korrekt wiedergeben.

Das Abirams in der Zossener Straße schaut vielleicht aus wie ein Imbiss, ist aber ein sehr empfehlenswertes südindisches Restaurant. Ganz besonders lecker sind die Suppen, da wetteifern Linsen- und Currycreme-Suppe um den ersten Platz. Derzeit gibt es täglich zwischen 12 und 22 Uhr den Inhalt der kompletten Speisekarte zum Mitnehmen. Wie läuft das bisher mit dem Lockdown? „Nee“, winkt der junge Mann am Tresen ein bisschen genervt ab. Dann sagt er noch: „Hoffen wir das Beste!“

In der Mokkabar in der Gneisenaustraße brennt schummriges Licht, die Stühle sind auf die leeren Tische gestellt. Während des Lockdowns ist das Restaurant zwischen 12 und 21 Uhr für Außer-Haus-Gäste da. Pizza, Pasta, alle Salate, alle Burger, dazu Longdrinks, Bier, Tee, Kaffee und Kuchen kann man telefonisch oder via Email bestellen, sich bis maximal drei Kilometer nach Hause liefern lassen oder selbst abholen.

Im Abirams locken nicht nur leckere Suppen. Foto: ks

Gleich daneben bei dem Frühstückscafé What a Treat steht ein kleines Tischchen vor der Tür. Bagels, Toasts, Lunch, Gesunde Schälchen – alles kann man zwischen 8.30 und 18 Uhr mitnehmen oder sich liefern lassen. „Die Leute sind genervt, dass sie sich nirgends hinsetzen können“, berichtet die Kellnerin. Ihr Kollege glaubt nicht, dass der Lockdown Ende November ausgestanden ist: „Das dauert bis Januar, Februar!“, sagt er und hofft auf Unterstützung durch den Staat.

Machen wir einen Sprung zum Südstern? Bei Oetcke in der Freiligrathstraße hat sich nicht viel geändert. „Wie immer haben wir eine täglich wechselnde Mittagskarte mit zwei Suppen, vegetarisch, Fleisch und Fisch“, heißt es. Jetzt eben nur noch zum Mitnehmen. Wie ist die Stimmung? Die Umsätze sind ungefähr auf die Hälfte geschrumpft, das Wetter wird schlechter, berichten die zwei sympathischen Herren an der Theke. „Aber es hilft ja nichts! Also Arschbacken zusammen, Augen zu und durch. Was will man machen! Und das Ganze auch noch mit guter Laune!“ Geöffnet ist montags bis freitags, 9.30 bis 17 Uhr.

Bei Oetcke gibt es eine wechselnde Mittagskarte. Foto: ks

Mother’s Heart ist ein leckerer Vietnamese in der Körtestraße. In Corona-Zeiten gibt es da nicht nur Homemade Drinks to Go wie Chanh Da, Fizzy Dizzy Ginger und Mango Tango, sondern auch klassischen Aperol Spritz – im etwas gewöhnungsbedürftigen, aber durchaus umweltfreundlichen  Pappbecher. Das Restaurant hat sehr gute Bewertungen im Netz und selbst an einem kalten, windigen Samstagabend ist dort einiges los. Liefern lassen kann man sich per Lieferando. Geöffnet ist täglich von 12 bis 22 Uhr.

Das Anno64 in der Gneisenaustraße ist als Raucherkneipe geschlossen, deprimiert stehen vor dem Eingang einige umgekippte Bierbänke herum. Drinnen glimmt immerhin schönes warmes rotes Licht und wartet auf bessere Zeiten.

Nicht weit vom Anno64 entfernt ist das Little Ethiopia in der Gneisenaustraße der Geheimtipp unter den äthiopischen oder eritreischen Restaurants in Berlin. Auch während des Lockdowns wird dort gekocht – und zwar montags bis freitags 12 bis 20 Uhr und samstags 13 bis 20 Uhr. Angeboten werden drei vegane Speisen, zwei Fleischgerichte und am allerbesten ist natürlich das „Little Ethiopia Special“ mit einem bisschen von allem. Immer auf Injera, dem wunderbar säuerlich schmeckenden Fladenbrot. Hat man die Warmhaltebox glücklich nach Hause gebracht, sollte man dort unbedingt mit den Fingern essen – gehört sich schließlich so.

Große Überraschung: Die Destille setzt in der Krise außer auf Trink- auch auf Essbares. Foto: ks

Nonne & Zwerg in der Mittenwalder Straße hat unter der Woche von 10 bis 21 Uhr, samstags 17 bis 21 Uhr geöffnet. Der Mittagstisch und die meisten Gerichte von der Abendkarte werden angeboten. Da ist es eine schwere Wahl, ob man sich für „Geschmortes vom Lamm" oder nicht lieber für „Gegrillten Octopus" entscheidet. Einfach anrufen, vorbeikommen und abholen, sagt Kay Biermann. „Wir sind vergnügt und alle gesund!“

Und dann die Überraschung des Rundgangs: In der Destille am Mehringdamm nuckelt man sonst ja eher an seinem Guiness, Weihenstephaner oder – was waren das noch für Zeiten – am Himbeer-Daiquiri herum und guckt Hertha-Spiele. Jetzt gibt es dort donnerstags bis samstags von 16 bis 20 Uhr Gänse- und Entenbraten zum Mitnehmen. Wem ein ganzes Federvieh zu viel ist, kann zwischen Brust oder Keule wählen. Dazu Liköre und Brände und einen wunderbaren Bratapfelglühwein. „Wir probieren das mal“, sagt Destille-Routinier Perry.


Yorckschlösschen: Es geht irgendwann weiter

Vorübergehend keine Live-Musik im Yorckschlösschen. Foto: ks

Am legendären Yorckschlösschen zeigt eine Kette mit Vorhängeschloss überdeutlich, was dort derzeit Sache ist. Olaf Dähmlow schreibt dazu ausführlich: "Wir schauen auf die allgemeine Lage mit Besorgnis, halten die meisten Verordnungen aber für erforderlich. Zurzeit haben wir geschlossen und wie es aussieht, werden wir dieses Jahr wohl nicht mehr öffnen können und wollen.

Die Gäste bleiben verängstigt aus und ohne unser übliches Konzept fahren zu können, ist der Betrieb nicht wirtschaftlich. Aufmachen zu dürfen und Wirtschaftlichkeit sind zwei paar Schuhe. Aufgegeben haben und werden wir aber nicht, weil wir nicht wissen, wie man das macht - und nie gewusst haben. Es geht also irgendwann weiter und bis dahin müssen wir üben, ohne Beschäftigung und soziale Kontakte zu sein.

Inzwischen hoffen wir auf die viele zugesagte Unterstützung des Staates, die allerdings bisher noch nicht abrufbar ist. Aber immerhin und glücklicherweise haben wir im März die erste Corona-Hilfe und nach und nach auch das Kurzarbeitergeld erhalten. Sorge ist natürlich auch, das bewährte Team zu verlieren. Wir tun alles, um unsere Mitarbeiter*innen zu halten. Planungssicherheit gibt es nicht und alleine das ist schwer auszuhalten. Aber an jeder Krise übt man sich und wächst - oder geht unter. Wir haben uns für ersteres entschieden."

Siehe auch: Kreuzberger Gastronomie im Corona-Lockdown (Teil 2)

  1. Jürgen Ney

    Ich bin eigentlich jemand, der den Regeln und Auflagen der Corona-Krise folgt. Aber inzwischen gibt es Dinge, die ich nicht mehr nachvollziehen kann und die mir auch keiner der Verantwortlichen wirklich erklären kann oder will. Gerade in der Gastronomie wurde soviel Geld in die Sicherheit investiert. In Luftfilter, vernünftige Hygienekonzepte etc. Warum schließt man diese Orte und riskiert, dass die Menschen, die sich dort sicher zum Essen hätten treffen können, sich jetzt zu Hause unkontrolliert und ohne Sicherheit treffen? Warum ist ein Einkauf bei Kaufhof sicherer als Ein Besuch zum Beispiel im Museum oder Theater? Warum fährt unsere Regierung unsere Kunst und Kultur komplett an die Wand? Selbst im Bombenhagel des zweiten Weltkriegs blieben die Theater und Kinos geöffnet. Gerade jetzt in einer solchen Krise brauchen die Menschen Abwechslung und schöne Momente. Bereits jetzt macht sich bemerkbar, dass das jetzt alles schmerzlich fehlt. Die Menschen werden aggressiv und depressiv. Ich habe weniger Angst vor dem Virus (obwohl ich zur Risikogruppe gehöre), als vor den gesellschaftlichen Folgen dieser Pandemie. Ich möchte endlich wieder im Yorckschlösschen sitzen und einem Jazzkonzert lauschen können und mein Essen möchte ich nicht geliefert bekommen und alleine zu Hause essen, sondern gemeinsam mit Freunden im Restaurant genießen. Wenn unsere Regierung nicht ganz schnell mit dem Umdenken beginnt, wird das alles irgendwann auf lange Sicht nicht mehr möglich sein.