Der Film "Vogelperspektiven" porträtiert den bayerischen LBV
Dieser Film ist ein ausgesprochenes Ärgernis. Erst denkt man ja, in der Dokumentation "Vogelperspektiven" von Jörg Adolph gehe es vor allem um Vögel. Ja irgendwie schon, aber eigentlich eher um einen bayerischen Verband namens LBV und je länger der Film dauert, desto mehr schiebt sich dessen umtriebiger Vorsitzender Norbert Schäffer in den Vordergrund - von dem man erst gegen Ende erfährt, wie er überhaupt heißt. Mal taucht er mit, mal ohne Anzug auf, wortreich und nicht unsympathisch lässt er wissen, dass er über den Wachtelkönig promoviert, bei der Feldforschung seine Frau kennengelernt hat und wegen zunehmenden Alters die hohen Frequenzen mancher Vogelstimmen nicht mehr so gut hört. Aber interessiert das irgendwen? Nicht wirklich.
Gleich zu Beginn des Films heißt es pathetisch, das Beobachten von Vögeln stelle "eher eine Lebensform als ein Hobby" dar, eine Art "Senkrechte in der Zeit". Diese Sätze liefern den Schlüssel. Viel mehr als für die Vögel, ihre flatternde, flüchtige und zunehmend bedrohte Existenz, interessiert der Film sich nämlich für Menschen, welche solcherart die Naturbeobachtung zum Lebenszweck erklärt haben - woraus dann so etwas wie eine Dauerwerbesendung für einen Naturschutzverband mit eingestreuten Vogelaufnahmen wird. Als unerreichtes Vorbild gilt eine US-Amerikanerin, die "weltweit am meisten Vogelarten beobachtet", also wohl fotografiert hat, deren Krebserkrankung dabei, oh Wunder, zum Stillstand kam und die stattdessen beim Vogelbeobachten auf Madagaskar starb. Peinlicher geht es kaum.
Wir beobachten also, wie Herr Schäffer mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) verhandelt, wir beobachten ihn beim nächtlichen Einfangen, Beringen und Besendern von Wachtelkönigen, bei der Redaktionskonferenz fürs Vereinsblättchen. Die einzige Frau in der Runde ist vornehmlich still, der Chef trifft Entscheidungen, ein paar Beta-Männchen melden sich lautstark zu Wort, weil sie auch unbedingt etwas sagen müssen. Waren wir da nicht schon mal weiter? Nun beschäftigt den Vorsitzenden nicht nur das Titelblatt der Vereinspostille, sondern zum Beispiel die Frage, warum so viele Zugvögel beim Rückflug nach Europa verhungern. Klarer Fall: Das Gebiet nördlich der Sahara muss begrünt werden! Bedeutungsschwanger schwebt eine Drohne über afrikanischen Siedlungen.
Den Höhepunkt des Films aber liefert der Bartgeier. Genauer: Die Auswilderung von zwei Exemplaren des Bart- oder Lämmergeiers (Gypaetus barbatus) namens "Wally" und "Bavaria" in den Alpen. Sie stammen aus einem spanischen Zoo, wurden durch halb Europa gekarrt, beringt, besendert, befingert ohne Ende, bekommen die Federn bunt bemalt, damit sie in der Luft besser erkennbar sind, und am Ende werden sie in einer Art Happening in zwei verschlossenen Kisten den Berg hochgetragen. Keine Ahnung, was für diese Aktion an fossiler Energie und an Lebenszeit draufging, wie viel CO2 ausgestoßen wurde, was das bei den armen Vögeln an Traumatisierungen ausgelöst hat. Okay, offenbar waren sie den Umgang mit Menschen gewohnt, aber wäre ich ein wildes Tier, ich legte keinen Wert darauf, von Möchtegern-Promis vor laufenden Kameras aus Imagegründen ans Herz gedrückt zu werden.
Wenn ich ein Vöglein wär, wollte ich nicht von wem auch immer beringt und besendert werden - egal, welchen Nutzen das womöglich der Forschung bringt. Ich hielte es mit Nachbar Hermann. Der wohnt ein paar Häuser um die Ecke, erst hat er die Frau, dann den Hund verloren und jetzt hat er fast nur noch seine Spatzen. Mit Blumen kennt er sich nicht aus, von Vögeln weiß er vermutlich nur, dass es Spatzen gibt, ab und zu eine Taube, Amseln, ja und natürlich Meisen. Aber um seine Spatzen kümmert er sich hingebungsvoll. Im Winter hängt er Meisenknödel in die Büsche, im Sommer streut er Körner und zu jeder Jahreszeit klettert er hoch zum Vogelhäuschen, obwohl er das mit seinem Rücken und den Knien kaum mehr schafft. Als Vöglein hätte ich den gern zum Freund.
P.S.: Zwei interessante Beobachtungen: Spatzen fühlen sich nicht nur in dichtem Gebüsch, sondern ersatzweise auch in einem künstlichen Metallgeflecht wohl, wenn es nur genug Dickicht imitiert. Das an die Adresse von Stadtnatur K61, Stichwort: Mehringdamm Ost. Und dann ist da noch die Szene mit dem Kuckuck. Wunderbar zu sehen, wie das Kuckuck-Weibchen fast gewaltsam ihr Ei in das Nest des viel kleineren Wirtsvogels drückt, der empört herumschwirrt und seine Brut verteidigen will. Das Kuckucks-Ei ähnelt denen des Wirts, es ist vorgebrütet, deshalb schlüpft der kleine Kuckuck früher und wirft als erste Aktion die anderen Eier aus dem Nest. Und der Zaunkönig oder Teichrohrsänger oder Wiesenpieper füttert seinen Feind. Die Natur ist böse, fast so böse wie wir.
Info: Vogelperspektiven, Yorck-Kino, Montag bis Mittwoch, 20. bis 22. Februar, jeweils 15 Uhr.
Angela Laich
Hallo Klaus, ja, die Sperlinge in der Metallskulptur haben traurige Bekanntheit … Die letzte HS-Kolonie in München. Wegen Rodung allen Grüns blieb ihnen nichts mehr als diese Skulptur, die dann wegen Bauarbeiten auch noch umgesetzt werden musste … Unter großem Aufwand mitsamt den Spatzen drin.