Es lebe die Currywurst!

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Auch mogblog schätzt den "Kraftriegel" des Proletariats

Bergmann-Curry: Golden in der Nachmittagssonne. Foto: ks

Erinnert sich noch jemand an Gerhard Schröder? Der hatte damals zusammen mit Joschka Fischer von den Grünen das Kunststück fertiggebracht, die CDU rechts zu überholen und damit die SPD so gut wie gegen die Wand gefahren. So ein Mann ist berufen, große Dinge gelassen aussprechen. Immerhin geht es um die Wurst. Und zwar um die Currywurst. Diese sei zusammen mit Pommes "einer der Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion", mahnte Schröder vor kurzem. Weil es in einer Kantine des VW-Konzerns künftig kein Fleisch mehr geben soll.

Wenn es darum geht, die Ehre der Currywurst zu verteidigen, ist natürlich auch mogblog zu allen Schandtaten bereit. Allerdings speisen viele unserer bewährten Restauranttester:innen gerne vegan oder doch mindestens vegetarisch und ganz sicher lassen sie ein Stück Schweinefleisch niemals nicht auch nur in ihre Nähe kommen. Deswegen musste der Autor persönlich zum Holzgäbelchen greifen. Ein richtiger Reporter scheut schließlich kein Risiko und schreckt vor keinem Opfer zurück. Also bitte: Wo gibt es in unserem Kreuzberger Kiez die beste Currywurst?

Bergmann-Curry: Pommes sind nicht einfach nur Pommes und eine Currywurst ist nicht einfach nur eine Currywurst. Stattdessen handelt es sich um eine Wissenschaft. Ketchup oder Majo?, wollen Amateure wissen. Profis fragen: Scharf oder nicht scharf? Wie scharf? Ganz scharf? Der Mann in der Imbissbude zieht ein bedenkliches Gesicht. Also doch lieber nur "ziemlich scharf". Und dann gibt es noch die Auswahl zwischen Flocken und Pulver. "Oder soll ich davon nehmen?", meint er und deutet auf das Fläschchen mit Tabasco.

Ketels Wurstspezialitäten: Ein Universum an Geschmacksrichtungen. Foto: ks

Golden leuchten die Pommes in der Sonne. Außen kross, innen weich, nicht allzu fettig. Sehr reichlich und das ist der erste kleine Minuspunkt: viele Pommes, aber eher wenig Wurst. Aber die ist nicht einfach nur ein Stück Fleisch, sondern raffiniert gewürzt, schmeckt deutlich nach Kräutern. "Wir haben da eine Rezeptur", sagt er. Das Ketchup: fruchtig, sehr angenehm scharf. Auch die Touristen am Nachbartisch sind zufrieden. "Also meine war gut", sagt einer und wischt sich den Mund ab. Im Abgang, wie die Gourmet-Freund:innen sagen, bleibt im Mund kein Fettgeschmack, sondern intensive Ketchup-Schärfe. Mit Pelle 4,30 Euro. Bewertung: 4,5 von 5 möglichen Punkten.

Ketels Wurstspezialitäten am Kottbusser Damm: Keine Currywurst mit Pommes, sondern ein ganzes Universum an verschiedenen Geschmacksrichtungen! An der Speisekarte klebt ein "Unteilbar"-Aufkleber, das ist schon mal sympathisch. Der junge Imbiss-Mann auch. Im Unterschied zu vielen anderen Buden werde die Wurst hier nicht frittiert, sondern tatsächlich gegrillt, klärt er auf. Regionaler Metzger aus Brandenburg, logisch. Also Currywurst mittelscharf, Fritten mit Chili-Cheesesauce und Lauchzwiebeln. Die Begleitung entscheidet sich für eine Rindercurrywurst (oben im Hintergrund).

Matzbach: Fein geschnitten mit süßer Cola-Sauce. Foto: ks

Angenehm viel Wurst diesmal. Öko-Pappteller. Aber solche Betrachtungen treten in den Hintergrund angesichts der leckeren Saucen. Das würzige Ketchup! Der auf der Zunge zergehende Chili-Cheese mit den grünen Zwiebelchen! Aus Freundlichkeit hat der Imbiss-Fachverkäufer noch eine dritte Sauce mit Kurkuma beigefügt. Die Schleimhäute schwelgen in Geschmacksorgien. Taucht höchstens das Problem auf, dass sich die vielen Geschmäcker vermischen und man vielleicht besser eine Sauce nach der anderen und nicht alle zusammen probiert hätte. Kostenpunkt: 6,40 Euro. Bewertung: 4,8 von 5 möglichen Punkten.

Matzbach am Marheinekeplatz: War eigentlich gar nicht vorgesehen. Aber bei den zufällig entdeckten "Fritten Curry Mehringdamm in hausgemachter Curry-Cola-Sauce mit Currystaub" (laut Speisekarte mit Konservierungsstoffen, Antioxidationsmitteln und Chinin) kann der Tester nicht widerstehen. Die fein geschnittenen Wurstscheibchen kommen erstaunlich gut, weil sich damit die Sauce wunderbar über die Wurst verteilt. Die hellen Pommes sind weich und fast fettfrei - bisher die besten überhaupt. Und das Ketchup schmeckt dank Cola überraschend süß. Muss man nicht jedesmal haben, ist aber eine interessante Geschmacksvariante. Mit 7,90 Euro vergleichsweise teuer, dafür sitzt man bequem an einem Tisch. Bewertung: 4,3 von 5 möglichen Punkten.

Curry 36: Currywurst fast zu jeder Tageszeit. Foto: ks

Curry 36 - klar, haben alle drauf gewartet. Es ist spät am Abend, stockfinster, hat gerade geregnet, und echt arschkalt. Ja, da käme noch die vegane Currywurst mit bayerischem Kartoffelsalat in Frage. Aber sollten wir nicht besser bei Pommes bleiben? Also doch mit Darm, Ketchup, gerne scharf. Und bitte ein Brötchen dazu. Um uns herum ein paar Partygänger, laute Touristen, Bettler. Mehringdamm halt. Irgendwie mag die richtige Gourmet-Stimmung in dieser Umgebung nicht aufkommen. Es ist eine leckere Currywurst mit leckeren Pommes, aber auch nicht mehr - was in dem Fall wohl weniger an der Wurst als am Wurst-Tester selbst liegen mag. Geöffnet bis morgens um 5 Uhr und mit 4,40 Euro inklusive einer Schrippe konkurrenzlos preiswert. Bewertung: 4 von 5 möglichen Punkten.

Am Ende zitieren wir natürlich noch einmal den früheren Bundeskanzler: "Wenn ich in Berlin bin, führt mich mein erster Weg meist zu einer der hervorragenden Currywurstbuden. Darauf will ich nicht verzichten und ich denke: Viele andere ... auch nicht.“ Sehr richtig! Aber jetzt hat der Autor erst mal genug von Currywurst - und vor allem hat er Durst!