Grüne Oase zum Toben

Veröffentlicht in: Umwelt & Verkehr | 0

Der Bezirk besitzt jetzt eine temporäre Klimastraße

Sehr viel Platz zum Rollern und zum Toben - die neue grüne Oase in der Danneckerstraße. Auch mit Kreide darf gemalt werden. Foto: ks

Kürzlich hat mogblog einen kleinen Ausflug nach Friedrichshain gemacht. Das ist von unserem beschaulichen Kiez aus tatsächlich fast Ausland, aber dort befindet sich die erste temporäre Klimastraße des Bezirks und die ist unbedingt eine Reise wert. Nach Pop-up-Radwegen und Pop-up-Fahrradstraße jetzt also eine Pop-up-Klimastraße, denkt man sich und ist gespannt, was einen erwartet.

Ort der Handlung ist die Danneckerstraße zwischen Rother- und Rudolfstraße, vor der Zwinglikirche. Rudolfkiez, breite Straßen mit Kopfsteinpflaster, teils großzügige, schöne Industriearchitektur. An der Ecke das Café Royal, direkt daneben der Rudolfplatz mit einem riesigen Spielplatz und großen alten Bäumen.

Hier stehen jetzt also zwanzig hölzerne Pflanzkübel mit zehn Büschen und zehn Bäumchen, viele mit politisch korrekten Bewässerungssäcken. Für Autos, Motorräder und Radfahrer ist der Abschnitt gesperrt. Bei der Eröffnung im Juli sparten Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und Umweltstadträtin Clara Herrmann nicht mit Eigenlob. Die Begrünung des Straßenraums verbessere das Mikroklima und die Aufenthaltsqualität deutlich, hieß es. Sie spende Schatten und kühle den aufgeheizten Straßenraum. "Mit unserer Klimastraße probieren wir im öffentlichen Raum ein neues Konzept aus", so Monika Herrmann. "Wir schaffen einen neuen Freiraum für die Menschen, die hier leben." Und Clara Herrmann lud die Anwohner ein, die Straße als "Ort der Begegnung" zu nutzen. "In der Klimastraße kann gerollert, mit Straßenkreide gemalt oder einfach nur getobt werden."

Wenn man sich vor Ort umhört, ist das Echo eher positiv. "Von Jüngeren wird das sehr gut angenommen. Ältere sind oft skeptisch, es fallen ja auch Parkplätze weg", berichtet eine Mutter mit Kinderwagen. "Aber es ist schon entspannter geworden. Manche haben das als Abkürzung zur Warschauer Straße benutzt, es sind auch Autofahrer schnell um die Kurve und haben dann Kinder angeschrieen. Aber sehr viel Verkehr ist auch vorher nicht gewesen." Und ein junger Familienvater sagt: "Bäume und Verkehrsberuhigung, das kommt immer gut!" Im Netz hingegen überwiegen Spott und Häme. So wird die Standfestigkeit der Bäumchen bezweifelt und unter dem Bericht von rbb24 kommentiert einer ironisch: "Die armen Kinder. Mitten auf die Straße. Gibt es dort keinen Spielplatz in der Nähe?"


Kommentar: Achtung, Wahlkampf!

Jawohl, Bäume und Verkehrsberuhigung kommen immer gut. Jede Straße ohne Autos ist besser als eine mit, keine Frage. Die wegfallenden Parkplätze in der Danneckerstraße werden zu verschmerzen sein, das Café Royal kann jetzt wunderbar seine Tische auf die Straße stellen und überdies haben sich offenbar Gießgemeinschaften gebildet, um die Bäumchen zu wässern. So entstehen Begegnung und Nachbarschaft. Prima.

Allerdings fragt man sich schon, ob es im Bezirk nicht Wichtigeres zu tun gibt, als einen ohnehin wenig befahrenen Straßenabschnitt komplett dicht zu machen. Auch überrascht der Furor, mit dem die doch eher periphere Angelegenheit medial transportiert wird. Tatsächlich werden die armen Bäumchen in ihren Mini-Kübeln kaum überleben - wie so etwas längerfristig aussieht, kann man in der Zossener Straße mit ihren ruinösen Straßenbaum-Attrappen besichtigen. Im Vergleich zu den hundertjährigen Ahornen, Linden und Pappeln ein paar Meter weiter ist ihr Beitrag zu "Mikroklima und Aufenthaltsqualität" schlicht marginal. Genauso naiv die Vorstellung, nun würden plötzlich Kinder in Scharen auf dem öden Kopfsteinpflaster herumzutoben beginnen - wo es doch gleich daneben einen wunderbaren Spielplatz gibt, der sich dazu viel besser eignet.

Wenn also 20 flugs auf die Straße gestellte Pflanzkübel, realistisch betrachtet, mit Blick auf das Klima nicht, also wirklich nicht relevant sind, warum dann die großen Worte? Anscheinend geht es weniger darum, etwas zu tun, als so zu tun, als würde man etwas tun. Nächsten Herbst wird in Berlin gewählt. Offenbar hat der Wahlkampf begonnen. Es sind lukrative Stadtrats-und Bürgermeisterposten zu vergeben und der Ehrgeiz könnte weiter reichen als nur bis zu einem Sitz im Abgeordnetenhaus.