So isst unser Kiez: südafrikanisches Gericht, afghanischer Markt, deutsche Köchin
Er ist selten, man muss ihn bestellen, wenn man unbedingt einen haben möchte. So kannte ich es jedenfalls bisher.
Schlendert man mit offenen Augen durch den Kiez, wandern sie irgendwann zur ehemaligen „Schwarze Olive“ – was ist eigentlich aus der geworden? Seit dem 5. Januar 2023 gibt es am gleichen Ort in der Yorckstraße 75 den Amini-Supermarkt. Amini ist der Nachname von Najibullah und Hamida. Beide, so um die 30 Jahre alt, stammen aus Masar-e Scharif in Afghanistan, wo er eine Fleischerei betrieben hat und sie als Schneiderin arbeitete. Mit ihren drei Kindern kamen sie am 14. November 2015 nach Deutschland und fassten peu à peu Fuß. Najibullah schaffte zunächst in einem türkischen Supermarkt, Hamida bekam ihr viertes Kind und hatte alle Hände voll zu tun, damit die Familie in Berlin zur Ruhe kam.
Dann war da der Laden in Kreuzberg – eine Chance, sich gemeinsam etwas aufzubauen. Das Ehepaar und zwei Mitarbeiter bieten dort Köstlichkeiten hauptsächlich aus Afghanistan und dem Iran an, aber auch deutsche Produkte sind zu finden. Frisches Obst und Gemüse, Aufstriche und Pasten, frische und eingelegte Oliven, cremiger Käse, Linsen, Kichererbsen, pflanzliche Öle ...
... und eine gutsortierte Frischfleisch-Theke. Lamm, Geflügel, Rind, Kalb, alles halal, dem moslemischen Glauben entsprechend. Jeden Tag kriegt Najibullah frische Lieferungen, keine großen Mengen, sondern nach Bedarf. Vorbestellen kann man natürlich auch. Wow - so etwas findet sich heute kaum noch im Kiez! Hier gibt es wie früher Fleisch, richtig im Stück! Da muss ich doch gleich einmal fragen: „Haben Sie Ochsenschwanz?“ – „Nur den Schwanz vom Kalb“, ist die Antwort. Da jedes Tier nur einen einzigen besitzt, ist so ein Schwanz ein seltenes Gut. Bekommt man überhaupt einen, wurde früher öfter gefragt: „Ist´s für den Hund?“ Nein, für mich, Homo sapiens, der sich ab und zu neben viel Gemüse und Obst eben auch ein Stück Fleisch gönnt. Fleisch? Nun ja, im Ochsenschwanz ist zwischen den vielen Knochen auch etwas Fleisch vorhanden.
Gesagt, getan. Der sympathische Inhaber zeigt mir einige bereits zerlegte Schwänze und fragt nach der Menge. „Alles!“ – „Wenn Sie mögen, ich habe auch noch ein paar Kalbsschwänze im Stück“. Ein zweites Wow! Er wiegt sie aus und zerlegt sie vor meinen Augen. Was für ein Service! Er ist glücklich, ich bin glücklich und die Familie hoffentlich auch bald.
Mit der Beute unterm Arm geht es flugs nach Hause. Der fleischfressende Gourmet freut sich auf eines der beliebtesten südafrikanischen Gerichte, nämlich den Ochsenschwanz-Topf! Der große Topf wird auf´s Feuer gestellt. Vor drei Jahren stellte ich von Elektroplatte auf Ceran um, aber das Urgefühl des Kochens überkommt mich doch ab und zu. Nein, keine Neandertaler-Küche, schon fein mit regional angebautem Gemüse und Kräutern. Gut, Tomaten und Orangen mussten von weiter her anreisen, ebenso der gute südafrikanische Rotwein, der dem Ganzen die abrundende Note gibt. In Energiespar-Zeiten ohne Hightech-Kochtöpfe muss man ab und zu tief durch den Glasdeckel des profanen Bräters schauen, wo ganzheitlich und in friedlicher Koexistenz eine Symbiose von Tier und Pflanze schmort.
Aber da ist er – der Duft des Überirdischen. Ja, ich darf abschmecken, bevor die Familie anrückt. Abschmecken – was für ein himmlisches Wort! Man muss nur schauen, dass der Löffel nicht zu häufig den Mund der Köchin trifft! Lecker, auf Zulu: esihlwabusayo – einer der besonderen Düfte und Geschmäcker Südafrikas. Dank des Amini-Supermarktes und seiner afghanischen Inhaber. So isst unser Kiez!
Südafrikanischer Ochsenschwanz-Topf
Und so wird´s gemacht - Rezept für 6 Personen:
Zutaten:
• 3 kg Ochsen- / Kalbsschwanz, zerteilt in kleine Stücke
• Pfeffer und Salz
• 3 EL Oliven-Öl
• 3 EL Tomatenmark
• 300 ml trockener Rotwein
• 600 ml Fleischbrühe
• 9 kleine oder mittlere Möhren
• 3 Stangen Sellerie
• 6 Tomaten
• 2 EL frischen Thymian
• 3 Lorbeerblätter
• 8 Wacholderbeeren
• 100 ml Orangensaft
• 2 EL frische Petersilie
Schwanzstücke abwaschen, abtrocknen und mit Pfeffer und Salz einreiben. Das Öl in einen großen Topf oder Bräter geben, erhitzen und die Stücke anbraten. Zwiebeln und Tomatenmark hinzugeben, anschwitzen, unterrühren. Rotwein zum Ablöschen über das Angebratene geben, kurz reduzieren und die Brühe hinzufügen. Alles brodelt dann bei mittlerer Temperatur 90 – 100 Minuten im Bräter.
Nun Möhren schälen, halbieren, Sellerie waschen und in schmale Scheiben schneiden, Tomaten überbrühen und häuten. Nach Garzeit des Fleisches Kräuter, Gewürze, Orangensaft, Gemüse hinzugeben, Salz und Pfeffer gut verteilen und weitere 30 Minuten garen. Abschmecken und mit Petersilie bestreuen. Dazu schmecken besonders vorwiegend festkochende Kartoffeln. Guten Appetit!