mogblog wagt sich in den Gluthauch des Klimawandels
Es war heiß. Draußen stand die Hitze wie eine Wand und wer aus dem kühlen Hauseingang auf die Straße trat, hatte den Eindruck, als umgebe sie ihn wie ein Mantel von Kopf bis Fuß. Im Vorfeld hatte der Deutsche Wetterdienst vor einer "starken Wärmebelastung" gewarnt, später stellte sich dann heraus, dass es sich um den zweit- oder drittwärmsten Tag des Jahres gehandelt hatte mit Temperaturen in Kreuzberg um 37 Grad. An diesem Tag, an dem an den Hauswänden, auf dem Asphalt, am strahlend blauen Himmel mit flammender Hand das Wort "Klimawandel" geschrieben stand, wagte sich mogblog am frühen Nachmittag in die glühende Hitze hinaus - genau zu der Zeit, als sie am größten war und jeder vernünftige Mensch Siesta hielt. Um nachzusehen, wie das ist mit der Klimaresilienz.
Ein Modewort, gewiss. Vor Jahrzehnten war alles "ökologisch" oder "alternativ", dann "nachhaltig". Irgendwann schlug die große Stunde des Wortes "prekär" und was früher eine "Sprachregelung" gewesen sein mochte, ist heute bekannt als "Narrativ". Jetzt also "klimaresilient". Speziell in Kreuzberg wird kein Felsbrocken auf die Straße geschmissen, kein Auto-Parkplatz vernichtet und auch kein Bergmannstraßenbächlein für Millionen Euro geplant, ohne dieses neue Modewort zu bemühen. Wenn aber die vermeintliche Klimaresilienz zur Begründung von allem und jedem dient, lässt sich natürlich fragen: Wie ernst ist es dem Bezirk überhaupt mit der bereits vorhandenen klimaresilienten Infrastruktur?
Nicht besonders ernst. mogblog hat mitten im Gluthauch des Klimawandels eine nicht repräsentative Expedition unternommen zu einigen Brunnen im Bezirk. Nicht zu den Schwengelpumpen, nicht zu den hässlichen blauen Trinkwasserspendern, sondern zu den Wasserspielen, den sogenannten Zierbrunnen - immer das Bild einer einladenden Oase im Kopf, wo nach langem Marsch durch die heiße Beton- und Asphaltwüste kühles Wasser lockt, Schatten, Feuchtigkeit. Das Ergebnis, um es gleich vorwegzunehmen, ist ernüchternd. Hier das Protokoll:
Im Unterschied zu den meisten anderen Brunnen speien die preußischen Löwen am Mehringplatz tatsächlich Wasser, auch wirkt das Becken einigermaßen sauber. Intelligenterweise stehen die Gitter, welche die Rasenansaat unter den schönen alten Bäumen schützen sollen, aber vor den elf Sitzbänken, so dass diese gar nicht benutzt werden können. Ohnehin ist der Brunnen samt wiedererstandener Victoria zwar ein Symbol vergangener preußischer Größe, aber in Sachen Klimaresilienz eine krasse Fehlplanung: viel zu heiß, in direkter Nähe nicht der geringste Schatten. Null Punkte.
Der Quellstein am Carl-Herz-Ufer neben dem Alten Zollhaus ist eine Baustelle. Hinter Gittern, dreckig, voller Unkraut, die Bank gegenüber graffiti beschmiert. Hier lädt nichts zum Verweilen ein. Auch bei den Springbrunnen vor dem Urbankrankenhaus, die Carl Wiesner 1970 geschaffen hatte, tut sich nichts. Im Zentrum von zwei runden Becken "sprudeln Fontänen, deren Wasser am Rand der Becken in kleine Ablaufrinnen verschwindet", behauptet Wikipedia. Unsinn. Nichts sprudelt hier. Nur ein paar Nebelkrähen suchen im trockenen Gras etwas desorientiert nach Essbarem.
Der Drachenbrunnen am Oranienplatz (Foto ganz oben) von Wigand Witting ist ein Fiasko. Die nette Idee von dem begehbaren Drachen, der in ein von seinen eigenen Vorderbeinen geformtes Becken speit, vertrocknet buchstäblich - wenn eben gar kein, also wirklich kein einziger Tropfen Wasser rinnt. Und hier schlägt nun zum ersten Mal die glühende Hitze richtig zu. Trotz der paar Bäume wirkt der Oranienplatz mit seinen großen Schotterflächen bei 37 Grad eben doch ziemlich wüstenhaft. Von wegen Oase. Aber wir halten durch!
Glücklicherweise entdeckt mogblog gleich danach den Feuerwehrbrunnen am Mariannenplatz von Kurt Mühlenhaupt (Foto ganz unten). Der macht genau das, was er bei diesen Temperaturen soll: Er ist - wie bei Mühlenhaupt gar nicht anders zu erwarten - lustig, versprüht Wasser und kühlt auf angenehme Weise die Luft. Zudem stehen die Bänke einigermaßen im Schatten und starren nicht wie anderswo alle in eine Richtung, sondern sind sich freundlich zugewandt. Es ist der einzige Brunnen während dieser Expedition, der auch nur von Ferne mit so etwas wie "Klimaresilienz" in Verbindung gebracht werden könnte.
Von der Anlage her wäre auch der langgestreckte Schmuckgarten-Brunnen im Görlitzer Park wunderbar dazu geeignet, munter gegen den Klimawandel anzuplätschern. Tut er aber leider nicht. Kein Wasser, nur heißer Pflasterstrand. Allenfalls fallen die Dealer auf, die beim Anblick der kleinen, billigen Digital-Knipse schleunigst das Weite suchen. Die größte Enttäuschung des Ausflugs aber ist der Cuvrybrunnen an der Ecke Cuvry- / Wrangelstraße. Eigentlich ein wahres Kunstwerk: ein 35 Meter langer Schiffsrumpf, der an die Spree-Lastkähne erinnern, gleichzeitig aber auch ein "Narrenschiff" und das "Sitzen in einem gemeinsamen Boot" assoziieren soll. Was ist daraus geworden! Verwahrlost, vermüllt, verunkrautet und ohne jeden Tropfen Feuchtigkeit. Ohne das Wasser ist der Zusammenhang der einzelnen Teile, die jetzt seltsam in der Gegend herumstehen, aber gar nicht mehr nachvollziehbar.
Inzwischen klebt dem Autor längst die Zunge am Gaumen. "Drei Tage Wüste ohne Getränke und dann einen Eimer Wasser, das ist der Himmel auf Erden", schwärmte einst Lawrence von Arabien. Nun ja, drei Stunden sind es schon gewesen. Und das staubtrockene Kreuzberg ist bestimmt so hart wie die arabische Wüste! Wasser! Wo gibt es hier Wasser? Wie eine Fata Morgana erscheint schließlich das schwankende Bild einer nahcity-Filiale. Und dort existiert direkt an der Kasse überraschenderweise sogar ein Kühlschrank mit Softgetränken. Der Himmel auf Erden! Nicht die Klimaresilienz im Bezirk, die zu wünschen übrig lässt, ausgerechnet die eiskalte, süße Plörre eines kapitalistischen US-Konzerns hat uns am Ende gerettet. mogblog hat sich in die Hölle des Klimawandels gewagt und hat überlebt!
Ein paar Stunden und mehrere Liter Flüssigkeit später fragt man sich allerdings schon, wie der Bezirk ernsthaft der drohenden Erwärmung entgegentreten will, wenn der Senat, die Berliner Wasserbetriebe (BWB), das Bezirksamt oder wer auch immer im möglicherweise bislang heißesten Sommer überhaupt nicht einmal ein paar harmlose Brunnen zum Laufen bringt. Und nein, über den legendären Kreuzberger Wasserfall, wo letztes Jahr im November eine Ratte ein Kabel durchgebissen hat, sprechen wir hier aus Höflichkeit gar nicht erst.