In Kreuzberg sind die meisten Straßenbrunnen wieder intakt
Seit vielen Jahren beschäftigt sich mogblog intensiv mit historischen Straßenbrunnen. Berlin besitzt mehr als 2000 davon, allein in Kreuzberg existieren rund 100. Die Schwengelpumpen, im Volksmund "Plumpe" genannt, stehen meist unbeachtet am Straßenrand, reichen bis zum Grundwasser hinab und sind für den Katastrophenfall bestimmt, falls die öffentliche Trink- und Löschwasserversorgung einmal kollabiert. Ganz abgesehen davon eignen sie sich bei Trockenheit im Sommer wunderbar zum Gießen von Straßenbäumen und Blumenbeeten.
Etwa die Hälfte der Pumpen gehört dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenfälle, die andere dem Land. Für Wartung und Beprobung sind die jeweiligen Bezirke zuständig. Diese komplizierte Konstruktion führt nun zum Kernpunkt des Problems: Denn nach allen bisherigen Beobachtungen ist ein großer Teil der Brunnen kaputt. Im August 2019¹ hat der Autor persönlich 34 Plumpen im Gebiet zwischen Landwehrkanal, Hermannplatz, Tempelhofer Feld und Mehringdamm überprüft: Nur elf spendeten tatsächlich Wasser, 21 waren versiegt, zwei ganz entfernt worden.
Im Sommer zählt jeder Liter
Da kommt es natürlich nicht besonders gut, wenn der Bezirk einerseits in Zeiten der Trockenheit ruft: "Jeder Liter zählt" und die Bürger geradezu flehentlich zum Gießen auffordert - andererseits jedoch die Pumpen nicht repariert und gar nicht erklärt, woher das Wasser eigentlich kommen soll. Von der gehbehinderten Rentnerin, Kanne für Kanne, oben aus dem fünften Stock? Bei einer noch umfassenderen Untersuchung im August 2020² sah es nicht viel besser aus: Von den 99 Kreuzberger Pumpen funktionierten lediglich 43, hingegen waren 45 kaputt und elf gab es gar nicht mehr. Niederschmetternd!
Diesen Sommer, als es Mitte September noch einmal richtig heiß war, machte mogblog erneut einen großen Pumpen-Test. Große Überraschung: Im Gegensatz zu vergangenen Jahren waren fast alle intakt! Ja, manche Schwengelpumpen ließen sich nur schwer bewegen, aus anderen tröpfelte es nur ein wenig. Aber die meisten gingen!
Nicht funktionsfähig waren nach mogblog-Recherche im September (ohne Gewähr) die Straßenbrunnen KB001 in der Alexandrinenstraße, KB003 Bergmannstraße, KB009 Görlitzer Straße, KB013 Erkelenzdamm, KB020 Großbeerenstraße, KB033 Oppelner Straße, KB047 Boppstraße, KB056 Fichtestraße, KB066 am Paul-Lincke-Ufer, KB073 in der Yorckstraße, KB088 Dresdener Straße, KB091 Naunynstraße, KB099 Lausitzer Straße und KB100 Graefestraße. Dafür hatte der Bezirk die bereits entfernten Brunnen KB010 in der Reichenberger Straße, KB011 Dieffenbachstraße, KB017 Planufer, KB049 Wassertorstraße, KB053 Taborstraße und KB067 Methfesselstraße wieder aufgebaut - fehlen nur noch die Pumpen KB018 in der Grimmstraße, KB019 Großbeerenstraße, KB032 Ritterstraße, KB046 Stresemannstraße und KB050 Wilhelmstraße.
Von den insgesamt 99 Kreuzberger Brunnen waren zu diesem Zeitpunkt 80 intakt, lediglich 14 verweigerten den Dienst, weitere fünf warten noch auf ihre Neuinstallation. Ein beeindruckendes Ergebnis! Damit verliert natürlich auch jeder Verdacht seine Grundlage, der Bezirk gefalle sich zwar in lauten Bekenntnissen zum Thema Klimawandel, lege dem Bürger - wenn es ums konkrete Gießen von Bäumen und Beeten geht - aber eher Hindernisse in den Weg oder bemühe sich jedenfalls nicht genug. Ganz im Gegenteil! Jetzt kann gegossen werden! Im Moment natürlich nicht, weil die Schwengelpumpen im Winterhalbjahr alle abgeschaltet sind, aber im nächsten Frühjahr schon!
Für Klimaresilienz, Stadtgrün und stabile Nachbarschaft
Nachdem das Wasser nun fast überall wieder fließt, könnte man im Namen von Klimaresilienz, Stadtgrün und stabiler Nachbarschaft weitere Schritte zur "Pumpenstadt Berlin" ins Auge fassen. Die meisten Brunnen werden im Sommer offenbar häufig benutzt. Dafür sprechen das im Ablauf stehende Wasser und dass sofort welches kommt, wenn man den Schwengel betätigt. Aber nur in der Mittenwalder Straße hat der Verein mog61 Miteinander ohne Grenzen e.V. an der Pumpe KB092 einen Gießtreff³ eingerichtet und ausgeschildert. Zusammen mit Fahrradbügeln und einem hübschen Blumenkübel ist daraus ein sozialer Treffpunkt mit dem Arbeitstitel "Am Dorfbrunnen" entstanden.
Auch stellt sich die Frage, ob das Grundwasser aus der Pumpe denn unbedingt in der Kanalisation landen muss oder nicht besser oberflächennah versickert. KB066 am Paul-Lincke-Ufer ist dafür ein schönes Beispiel. Und direkt am Mehrgenerationenhaus in der Wassertorstraße sammelt sich das Wasser, weil das Trottoir so uneben ist, unbeabsichtigt in einer großen Pfütze. Rund um die Pumpe KB031 entwickelt sich ein kleines Biotop. Grashalme, Löwenzahn, Breitwegerich. Spatzen und Krähen trinken daraus oder nehmen ein Bad. Bald kommen die ersten Frösche. Ein Vorbild für andere Pumpenstandorte - es muss ja nicht immer ein Sumpf auf dem Bürgersteig, sondern kann auch eine Baumscheibe oder anderes Straßenbegleitgrün sein.