Tod am Landwehrkanal

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Ein obdachloser Mann verbrennt in seinem Zelt

Hier starb in der Nacht zum Dienstag ein Obdachloser. Foto: ks

Das schmale Ufer des Landwehrkanals zwischen Mehringdamm und Großbeerenstraße ist kein schöner Ort, um zu sterben. Im kahlen Gebüsch türmt sich der Wohlstandsmüll. Leere Flaschen, Plastiktüten, Pizzaverpackungen, Plastikbecher, Getränketüten, Zigarettenschachteln und wieder Flaschen. Bestimmt ist es schon Jahre, ach was: Jahrzehnte her, dass Berliner Stadtreinigung oder Bezirk den Streifen zwischen Tempelhofer Ufer und Kanal mal gesäubert haben. Gegenüber, unter der Hochbahn am Halleschen Ufer, schaut es noch trostloser aus. Da kacken Hunderte verwahrloste Straßentauben voller Inbrunst auf den Asphalt.

Hier, unter einer 88-jährigen Trauerweide, ist in der Nacht zum Dienstag gegen 1 Uhr früh ein offenbar obdachloser Mann gestorben. Vermutlich hatte er sich unter dem Baum eine improvisierte Unterkunft eingerichtet. Als ein Streifenwagen nachts vorbeifuhr, bemerkten die Polizisten ein brennendes Zelt. Sie versuchten zunächst vergeblich, die Flammen mit dem Handfeuerlöscher zu löschen. Als schließlich die Feuerwehr mit 22 Leuten anrückte, brannte die notdürftige Behausung schon lichterloh.

Während der Löscharbeiten entdeckten die Einsatzkräfte dann den verkohlten Leichnam. Bisher ist seine Identität noch unbekannt. Nach Angaben eines Polizeisprechers wurde nun eine Obduktion angeordnet. Es werde in alle Richtungen ermittelt, hieß es. Zum aktuellen Zeitpunkt sei eine Fremdeinwirkung zwar nicht sicher auszuschließen, so der Sprecher am Dienstagnachmittag. Alle bisherigen Hinweise deuteten jedoch eher auf einen tragischen Unglücksfall. Noch ist allerdings unklar, auf welche Weise das Feuer entstand.

Vor Ort ist nicht mehr viel zu erkennen. Verkohltes Holz, fehlende Farbe am Geländer, Aschereste auf dem Trottoir. Eine ältere Frau bleibt für einen Moment stehen und guckt. Hinter ihr tost der Autoverkehr.

Update 05.01.2023: Laut Polizei wurde der Tote inzwischen identifiziert: Es handelt sich um einen 48-jährigen Mann ohne festen Wohnsitz. Weil er nach bisherigen Erkenntnissen ohne Fremdeinwirkung starb, seien die Ermittlungen von der Mordkommission an das Brandkommissariat  des Landeskriminalamts übergeben worden, heißt es weiter.

Update 07.01.2023: Stephan May von der "Radtour für obdachlose Menschen" berichtet, er habe dem Obdachlosen noch am Montagabend persönlich ein Stück Sauerbraten vorbeigebracht. Das Zelt am Landwehrkanal gehörte zu seiner regelmäßigen Verpflegungstour, den Namen des Mannes habe er aber nicht erfahren, das sei auf der Straße "nicht so üblich". Möglicherweise habe er sogar als letzter überhaupt mit ihm gesprochen. Er habe im Zelt gekocht und May vermutet nun, dass dabei der Gaskocher umfiel und der Brand auf diese Weise entstanden ist.

Update 19.01.2023: Während die Polizei bisher von einem tragischen Unglücksfall ausging, gibt es jetzt offenbar doch einen Verdacht, dass das Zelt angezündet worden sein könnte. Gesucht werden Zeugen, die am 3. Januar 2023 die Entstehung des Brandes beobachteten, zwischen 1:00 und 1:15 Uhr am Tempelhofer Ufer in Höhe der Hausnummer 6a Leute gesehen haben oder sonstige Hinweise geben können. Kontakt hier.