Grüße vom Nordkap

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Die Kreuzberger Künstlerin Angela Laich liebt das Meer

Steife Brise von links: Angela Laich auf einem Selfie (deshalb die Spiegelschrift) im hohen Norden. Foto: privat

Während in Berlin eine Hitzewelle auf die andere folgt, hat mogblog Post vom kühlen Nordkap bekommen. "9,5 Grad Celsius zeigt gerade das Thermometer bei stark böigem Wind und tief hängenden Wolken", schreibt die Kreuzberger Künstlerin Angela Laich. "Wir liegen im Hafen von Honningsvag. Uralter Schieferfelsen, 300 Meter über der Barentssee. Habe bei meinem Weg durch den Ort die nördlichste Haussperlingskolonie Europas dokumentiert. Passer Domesticus schafft es tatsächlich, auch hier zu überleben - dank der Fütterung durch AnwohnerInnen. Aber jetzt ist mir kalt und ich werde eine heiße Königskrabbensuppe essen. Viele Grüße vom nördlichsten Zipfel Europas in den warmen Süden!"

Klar, dass sich Angela auch da oben am Ende der Welt als erstes um ihre Spatzen kümmert, denkt man und muss ein bisschen grinsen. Die 59-Jährige hat in Stuttgart und Berlin bei Alfred Hrdlicka studiert und sich als freiberufliche Bildhauerin, Malerin, Grafikerin einen Namen gemacht. Aber in Kreuzberg ist sie fast noch bekannter geworden als kompromisslose Kämpferin für die Stadtnatur - sei es am Mehringdamm, am Postscheckamt oder auf dem Dragonerareal (im Film "Kleinod vor dem Umbruch" hat sie übrigens einen kleinen Auftritt).

Aber wir wollen mit ihr nicht über Kunst oder Spatzen reden, sondern über das Meer. Denn jedes Jahr verbringt Angela Laich einige Monate auf hoher See. Das hat sich herumgesprochen und ihr Lieblings-Konfliktpartner in Sachen Natur, der Chef des Kreuzberger Straßen- und Grünflächenamts Felix Weisbrich, fragt schon immer vorsorglich: "Wann sind Sie denn diesmal weg, Frau Laich?"

Wie ist das also mit dem Meer? Angela rühmt die Sonnenuntergänge. "Im Norden sind sie unendlich lang und nehmen gefühlt gar kein Ende. Gestern hatten wir hier Mitternachtssonne. Die Wolken bildeten Arme und hatten sie auf die Felsen und das Meer gelegt, darüber stand ganz flach die Sonne. Eine unglaubliche Plastizität, einfach wahnsinnig!" Und natürlich kennt auch der Ozean viele Farben. Das "tiefste, reinste Kobaltblau" im Atlantik, mehr als 8000 Meter tief. Fährt man vom Skagerrak in die Nordsee, erkennt man einen deutlichen Übergang von "Preußisch Blau zu eher Türkis" und die norwegischen Fjorde sind wegen des vielen Gletscherschmelzwassers "wirklich grün".

Die Künstlerin ist überall dort schon gewesen. Seit 2012 heuert sie jedes Jahr für vier Monate auf Kreuzfahrtschiffen von TUI Cruises als Bordmalerin an und gibt dort für Passagiere Kurse in Zeichnen, Siebdruck, Aquarellmalen oder Schmuck-Workshops. "Es ist immer wieder interessant und eine ganz andere Art von Erfüllung, mit Laien zu arbeiten", sagt sie. "Manchmal muss ich die Leute auch trösten, wenn überhaupt nichts klappt."

Dass sie entweder Künstlerin oder Kapitänin werden wollte, war für sie schon als Mädchen im Alter von zwölf Jahren klar. Zuhause in Stuttgart zeichnete sie Segelschiffe und als sie zusammen mit den Eltern zum ersten Mal den Rhein überquerte, wäre sie dem Strom am liebsten bis zur Mündung gefolgt. Beim Familienurlaub an der Adria sah sie im Sturm die ersten großen Wellen gegen die Pier krachen. Und später wollte dann ein Freund mit ihr und einem zehn Meter langen Segelboot zweimal über die Ostsee nach Schweden und sie gerieten zweimal in einen Orkan: "Wir hatten 40 Grad Neigung, das war kurz vor dem Kipppunkt, ich an der Pinne und er an der Großschot." Da hat sie gelernt, dass man in manchen Situationen einfach durchhalten muss: "Es löst dich niemand ab, bis du am Ziel bist!"

2008 machte Angela ihren Sportbootführerschein See auf einem russischen Segelschulschiff, der "Mir" (übersetzt: Frieden), einem wundervollen Dreimaster. Wenn ihr langweilig wurde, ging sie auf die Brücke und träumte davon, so einen Rahsegler zu kommandieren. Einmal stand sie sogar am großen Steuerrad. Auf der Mir werden Kadetten im vierten Semester ihres Nautikstudiums ausgebildet, aus denen später mal Offiziere und Kapitäne der russischen Handelsmarine werden. "Auf einem Segelschiff geht es richtig zur Sache. Das ist alte Schule. Beim Segel setzen, da wird hochgeklettert." Als Trainee war sie aus Sicherheitsgründen von solchen Pflichten befreit, aber bis hoch zur ersten Plattform hat sie es schon geschafft.

Was ist am Meer so faszinierend? "Du musst dich voll auf die Natur einlassen", sagt Angela Laich, "dich öffnen, mit dem Wetter arbeiten, das musst du wahrnehmen und auffassen. Es ist einfach so cool, wenn man sich von See aus dem Land nähert." Hat sie keine Angst vor dem unberechenbaren Ozean? Nun ist die "Mein Schiff vier" von TUI Cruises kein kleines Fischerboot, sondern ein Koloss von 295 Metern Länge mit 15 Decks für 2500 Passagiere und 1000 Besatzungsmitglieder. Tiefdruckgebiete werden von solchen Schiffen möglichst umfahren. Aber 8,5 Meter hohe Wellen mit Kreuzseen hat Angela schon erlebt: "Wenn das Schiff Ballett tanzt, fliegt das Geschirr aus den Regalen."

Bei einem Kollegen ging im Mittelmeer die See einmal elf Meter hoch. Deshalb sagt sie: "Ich habe Respekt. Ich kann das einschätzen. Ich weiß, dass alles Mögliche passieren kann." Dann plaudern wir noch ein bisschen über die Aquarellfarben in ihrem Atelier, die im senkrechten, knallharten Licht der Tropen ganz anders wirken als in der gebrochenen, schrägen Beleuchtung nördlich des Polarkreises. Und ja, eigentlich wäre Angela viel lieber auf einem alten Windjammer als mit einem modernen, dieselgetriebenen Kreuzfahrtschiff unterwegs. Ginge es nach ihr, dürfte Spitzbergen ohnehin ausschließlich unter Segeln angelaufen werden - auch wegen des für viele Tiere schädlichen Unterwasserlärms.

  1. Gabriele Faber

    Ein schöner Artikel. Von solchen Grauen kann es nicht genug geben.
    Danke