Meine Tomaten und ich

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Es war eine heftige, unwiderstehliche Sommerliebe

Inmitten der roten Tomaten finden sich auch ein paar schwarze. Foto: ks

Tomaten sind eben Tomaten. Ganz früher hatten wir welche im Garten, zusammen mit Kohlrabi, Gurken, Karotten und Blumenkohl. Danach kamen sie von Kaiser's oder Edeka, in rechteckigen Schachteln, das Kilo für 2,99 Euro. Und ehrlich gesagt, wenn mir der Nachbar ab und zu so etwas Kleines, Rundes, selbst Gezogenes unter die Nase hielt, fand ich das eher lästig, weil er dann bestimmt noch drei oder vier Tage lang nachfragte, ob es denn auch wirklich, also wirklich gut geschmeckt hat.

Diesen Sommer habe ich nun selber welche, auf meinem Balkon, in der heißen Südwestecke. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie es dazu kam. Es war wohl eine Abnehmphase beim Intervallfasten, da läuft man durch die Welt und denkt nur noch ans Essen, Essen, Essen und da schien die Idee, auf dem Balkon könnten nicht nur kleine Lupinen, Rittersporn oder Sonnenhut gedeihen, sondern auch rote, glänzende, essbare Tomaten, plötzlich unwiderstehlich.

Das musste natürlich gründlich überlegt werden. Es war Anfang Mai, die Jahreszeit passte. Marie besorgte schon mal zwei Pflänzchen von Alnatura, Niklas erzählte, dass Tomaten metertief in der Erde wurzeln, entscheidend für die Qualität der Früchte sei die Bodenbeschaffenheit, Schiefer sei ganz vorzüglich und es gäbe so ungefähr einen einzigen Ort in Deutschland, an dem richtig gute Tomaten wüchsen. Als ich von meinen vier rechteckigen Pflanzkübeln und der Blumenerde aus dem Baumarkt berichtete, schaute er mich etwas mitleidig an. Es drohten diverse Krankheiten, warnte er, bei zu viel Feuchtigkeit oder Hitze könnten sie platzen undsoweiterundsofort. Ähm, ja.

Am Ende waren es dann acht Pflanzen und vier verschiedene Sorten (siehe unten), von Alnatura, vom Blumenstand um die Ecke in der Fürbringerstraße und ganz prosaisch von Hellweg. Ein windstabiles Rankgestell musste gebastelt werden, Regenschutz gab es keinen und natürlich waren auch noch intensive Internet-Recherchen nötig, auf welche Weise man die grünen Pflänzchen, wenn sie denn erst einmal groß sind, am besten am Gitter befestigt. Schlleßlich war es ja das erste Mal. Eintopfen, Erde vorsichtig andrücken, fertig. Jetzt sollten sie nur noch wachsen.

Wer Glück hat im Leben, wird morgens von einem Kuss der Geliebten geweckt. Andere immerhin von der feuchten Nase ihres Corona-Hundes, der sie freundlich in die Seite stupst. Oder eben von der Sorge um ihre Tomaten. Auch der absolute Garten-Laie weiß, dass man Tomaten jeden Tag gießen muss. Also erfolgt der erste Gang am frühen Morgen auf den Balkon. Haben meine Tomaten genug Wasser? Geht es ihnen gut? Lassen sie vielleicht die Blätter hängen oder haben sie so komische graue Punkte? Ah schau, da ist jetzt schon wieder eine knallrot geworden. Ob ich sie heute schon essen kann oder lieber zwei Tage warte? Das muss erwogen werden.

Für den Tomatenbesitzer bekommt die Welt einen Sinn. Er hat immer etwas, um das er sich kümmern kann. Und er macht dabei überraschende Entdeckungen: Nach längerem Regen haben Tomaten einen anderen Geschmack als während einer Hitzeperiode. Die Sorten schmecken verschieden - eine hatte übrigens ganz überraschend schwarze Früchte - und auch der Zeitpunkt, wann sie geerntet werden, macht einen Unterschied. Jede neue kleine rote Tomate ist ein bisschen wie Weihnachten und es ist jedes Mal ein teuflisches Vergnügen, das, was man nachher auf dem Teller liegen hat, selber geerntet zu haben.

Welche Tomate schmeckt am besten?

Aber die entscheidende Frage: Schmecken die eigenen Tomaten wirklich besser als die aus dem Supermarkt? Dazu hat mogblog umfangreiche Tests durchgeführt mit insgesamt sechs Sorten (vier eigene, zwei aus dem Supermarkt) und den beiden Versuchspersonen S. und M., die NICHT wussten, welche Sorte sie gerade probieren. Hier die Ergebnisse in absteigender Reihenfolge (d.h. die beste Tomate als erstes):

• Ruthje: 7 von 10 möglichen Punkten (Balkon, Pflanze vom Blumenstand, samenecht)
S.: Mit einem ausgeprägten Tomatenaroma. Geringe Säure, leckere Würze, eine gute Tomate!
M.: Die ist lecker! Sie hat etwas Süßliches, eine feste Schale, sehr schön, ein regelmäßiges Rot.

• Hilmar: 6 Punkte (Balkon, Pflanze von Alnatura, samenecht)
S.: Weniger Würze, weniger süß, mehr Frucht. Geschmacksintensität leicht hinter der ersten. Leicht unregelmäßige Färbung.
M.: Relativ harte Schale im Abgang, weniger Säure. Rund, fruchtig. Die ist super!

• Indigo Rose: 5,5 Punkte (Balkon, Pflanze vom Blumenstand, schwarz)
S.: Deutliches Fruchtaroma, leicht mehlig, Ein angenehm fruchtiger Geschmack. Die hat was richtig Obstiges.
M.: Ganz lecker. Beim Essen denkt man an Feigen. Sie ist ein bisschen wässriger, weil sie auch größer ist.

• Harzfeuer: 5,5 Punkte (Balkon, Pflanze von Hellweg)
S.: Mehlig in der Konsistenz, relativ dominante Süße. Die Schale recht hart, muss man ja richtig kauen am Schluss. Ist nicht schlecht!
M.: Die Schale ist verdammt hart. Sehr ausgeglichen im Geschmack, ein bisschen wässrig.

• Cherry Rispen-Tomaten: 4 Punkte (Edeka; Italien, 500 g 1,99 Euro)
S: Glänzend, die ist bestimmt kommerziell. Immerhin ein bisschen besser als die andere aus dem Supermarkt.
M.: Eine gewisse Länge im Abgang, Nachhaltigkeit im Geschmack. Sie hat etwas Grünes, Unreifes. Das Fruchtfleisch ist hart und nicht ganz gereift.

• Pick & Mix: 3 Punkte (Alnatura; Deutschland, Bioland, 100 g 0,99 Euro)
S.: Mit auffallendem Glanz, das ist eine kommerzielle aus dem Supermarkt. Schmeckt nach überhaupt nichts, weiche Schale, hat zu viel Säure, keine Frucht, keine Würze. Aus industrieller Produktion, fällt ganz klar ab.
M.: Weniger Geschmack, ist grüner, sehr wässrig. Rot, aber noch gar nicht reif. Grün gepflückt worden, nicht ausgereift.

Das Ergebnis: Industriell hergestellte Früchte besitzen zwar eine deutlich weichere Schale, schmecken im Inneren auch durchaus nach Tomate, aber das harte, fast geschmacklose Fruchtfleisch verrät, dass sie häufig grün geerntet wurden und selten völlig ausgereift sind. Wer einmal Tomaten selbst angebaut, umsorgt und geerntet hat, wird niemals wieder welche aus dem Supermarkt essen wollen. Für die kommende Saison wurden daher vorsorglich Samen von 'Ruthje' und 'Hilmar' in Sicherheit gebracht. Und es gibt nun ein weiteres, noch ehrgeizigeres Projekt: Kartoffeln!