Querdenkern fehlte es an Unterstützung durch die Polizei
Erst am Samstag hatten sogenannte Querdenker im Kiez spektakulär gegen den Corona-Lockdown protestiert. Dabei konnten sie zwar nicht ihre ursprünglich geplante Demo-Route durch die Wohnviertel in der Bergmannstraße und am Chamissoplatz durchsetzen, waren aber immerhin über den Mehringdamm bis zum S-Bahnhof Tempelhof marschiert. Das hat ihnen offenbar mächtig den Rücken gestärkt. Am gestrigen Donnerstag waren sie schon wieder da - mit einer "Kunstaktion" unter dem Titel "Schwarze Wahrheit" an der Ecke Mehringdamm / Bergmannstraße.
Vorgesehen war eine Prozession auf der einen Straßenseite bis zum Marheinekeplatz und auf der anderen wieder zurück. Tatsächlich stand da gegen 17 Uhr an der Ecke eine kleine, rund 30-köpfige Gruppe in weißen Schutzanzügen herum. Der Himmel färbte sich währenddessen bedrohlich dunkelgrau. Überraschenderweise kaum Gegendemonstranten in Sicht. Als sich die Corona-Zweifler, freundlich geleitet von zwei Polizisten, im Gänsemarsch in Bewegung setzten, trafen aber doch die einen oder anderen ein und schließlich sperrte der Kreuzberger Heimatschutz in Höhe von "Frau Behrens Torten" das Trottoir mutig mit einem Transparent: "Kein Platz für rechte Propaganda!"
Kreuzberger können so etwas! "Alerta, alerta, antifascista!", schrien sie. "Nazis raus!", brüllten die einen. "Nazis raus!", plärten die anderen ironisch zurück. Es wurde auch ein wenig gerempelt, schon klar, waren ja immer noch viel zu wenig Leute da. Der Himmel nahm beängstigende Farben an. Aus den zwei freundlichen Polizisten waren vier geworden, mehr gab es vor Ort gar nicht. Sie wirkten zunehmend beunruhigt: Offenbar hatte man bei der Staatsmacht ein paar Etagen höher die Bedrohungslage stark unterschätzt. Gerade als die Antifa wieder ein bisschen drängelte und die Stimmung vollends zu kippen drohte, klatschten plötzlich die ersten großen Tropfen aufs Pflaster.
Ein mächtiges Frühjahrsgewitter! Tatsächlich schüttete es wie aus vollen Kübeln. "Gut für die Blumen", dachte der Gartenfreund. Demonstranten und Gegendemonstranten, je nach Charakter, suchten Schutz unter Balkonvorsprüngen und Ladeneingängen oder trotzten tapfer allem Unbill. Irgendwann mischte sich in das wütende Donnern des Himmels ein vielstimmiges, geschäftiges "Lalülala!", wurde lauter, und dann war die Verstärkung auch schon da. Helm, schwarze Uniform, Schlagstock an der Seite. Aber nichts mit dem beabsichtigten Marsch zum Marheinekeplatz: Es reichte gerade für einen geordneten Rückzug.
Die Querdenker gaben auf. Unklar, ob die wilden Kräfte der Natur dabei den Ausschlag gaben oder das doch recht entschlossene Auftreten der Kreuzberger Antifa. "Ich kann sie nicht komplett schützen", hieß es dazu fast schon entschuldigend aus Polizeikreisen mit Blick auf die Demonstration. Überdies habe die Anmelderin signalisiert, dass sie "jetzt nur noch heile nach Hause will". An der Ecke zum Mehringdamm hatten die Polizisten ohnehin alle Hände voll zu tun, um den Abmarsch der Protestler einigermaßen abzusichern. Gerade als diese sich umständlich aus ihren weißen Anzügen schälten, machte sich oben am Himmel wieder erleichtert die Sonne breit.
Das Spiel könnte sich künftig wiederholen - offenbar sind regelmäßige Kunstaktionen beabsichtigt. Wie nach einem Hochwasser setzt "Frau Behrens Torten" nun die Marke, wie weit es Corona-Relativierer ins alternative Kreuzberg geschafft haben. Kommen sie künftig weiter oder nicht? Die Bezirksverordnetenversammlung hatte am Mittwoch - ohne die Stimmen der AFD - schon erklärt, was sie von solchen Versuchen hält. Friedrichshain-Kreuzberg sei ein "weltoffener Bezirk", hieß es, wo es keinen Platz für Verschwörungspropaganda oder das Verbreiten von diskriminierenden Inhalten gebe: "Ausgrenzenden, demokratiefeindlichen, herabwürdigenden, antisemitischen oder menschenfeindlichen Äußerungen stellen wir uns entschlossen entgegen."