mog61 e.V. und Radtour für obdachlose Menschen verteilen sie
Es ist arschkalt. Ein eisiger Nordwestwind fegt über den Südstern, in ein, zwei Stunden ist der erste Schnee des Winters angesagt. Vier herrenlose E-Roller liegen in der Gegend herum, dazu ein paar umgestürzte Fahrräder. Am Eingang zur U-Bahn hat sich ein Obdachloser auf dem Boden so gut es geht in Decken und Wellpappe eingemummelt. Einige Schritte weiter stehen Menschen. Ein Tisch, zwei Lastenfahrräder. Hier gibt es heißes Essen.
"Es ist eine Kooperation", erklärt Marie Hoepfner von mog61 Miteinander ohne Grenzen e.V. Seit über einem Jahr verteilen mog61 und die Radtour für obdachlose Menschen jeden Freitag ab 18 Uhr hier heiße Suppe an Bedürftige. Heute Gemüsesuppe, Klöße und Hähnchenfleisch in Rosmarinsoße. Dazu Mandarinen, Früchtejoghurt, Kaffee oder Kakao und eine große Thermoskanne mit heißem Kräutertee zum Mitnehmen.
Gekocht wird unter anderem in der Kiezkantine in der Oranienstraße, ein Teil des Essens kommt dank mog61 von der Berliner Tafel, der Rest wird über Spenden finanziert oder muss privat zugekauft werden. Jeden Freitag stehen um die 50 Menschen in der Schlange, zum Monatsanfang sind es immer etwas weniger, da haben viele noch genügend Geld. Inzwischen sind fast alle gute Bekannte: Obdachlose mit einem Einkaufswagen voller Habseligkeiten oder Menschen mit Dach über den Kopf, denen es aber sonst am Nötigsten fehlt. Corona ist natürlich ein Thema. "Nur mit Maske", mahnt Marie immer wieder. "Und geh bitte einen Schritt zurück, du weißt schon, wegen Abstand."
Als es letzten Winter richtig kalt wurde, hat der gemeinnützige Verein mog61 professionell zu kochen begonnen, drei Mal die Woche mit und ohne Fleisch, so dass es jeden Tag etwas zu essen gab. Stephan May von der Radtour hat bei einer Fahrradtour nach Afghanistan angefangen, auf dem Weg dorthin Obdachlose zu versorgen: "Ich habe unterwegs gesehen, wie viele Menschen auf der Straße sind ohne eine Anlaufstelle. Und entdeckt, wie schnell man Leuten mit wenig helfen kann." Inzwischen verteilt die Radtour auch an anderen Stellen in Berlin Essen und hat eine Gruppe in Erfurt aufgebaut. Kooperiert wird mit Initiativen in Kabul in Afghanistan und Izmir und Erzurum in der Türkei.
Der Wind pfeift. Handschuhe hätte man mitnehmen sollen. Und wie schmeckt es? "Besser als jedes Kantinenessen", schwärmt Michael. Weil er Raucher ist, kriegt er von Marie noch eine Packung Zigaretten geschenkt. Okay, probieren wir. Ein wunderbares Süppchen mit Blumenkohl, Karotten, großen Kartoffelstückchen und leckerer Soße. Boah! Vor lauter Elektroherd und Zentralheizung hat man glatt vergessen, was für ein Genuss so ein knallheißer Teller Suppe mitten in der beißenden Winterkälte sein kann!