In der Gneisenaustraße sollen 40 Bäume gefällt werden
Es sind wunderbare Bäume, alle zwischen 70 und 120 Jahre alt. Mit ihren grauen Stämmen und dem hellgrünen Laub schmücken sie den Mittelstreifen der Gneisenaustraße und machen die lärmige, hastige Verkehrsachse zu etwas ganz Besonderem. Ab und zu fällt eine Platane oder Linde einem Raser zum Opfer, dann wird meistens nicht nachgepflanzt. Jetzt sollen nach mogblog-Informationen im Zuge der Sanierung der U-Bahnlinie 7 an die 40 der altehrwürdigen Bäume gefällt werden. Und wenn eine Behörde schreibt: "Nach aktuellem Planungsstand könnten bis zu 40 Bäume betroffen sein", werden es am Ende bestimmt noch mehr.
Wie mogblog berichtete, sind auf dem Mittelstreifen der Gneisenaustraße derzeit umfängliche Bauarbeiten im Gange. Es geht um den Einbau eines Aufzugs unweit des Ausgangs an der Zossener Straße, womit der U-Bahnhof endlich - spät genug - barrierefrei wird. Das ist aber keineswegs alles. Wie die BVG auf Anfrage mitteilte, soll der Bahnhof neben den bisherigen Zugängen am Ost- und am Westende des Bahnsteigs künftig einen dritten Zugang erhalten, der auf dem Mittelstreifen zwischen Zossener und Mittenwalder Straße installiert wird. Benutzer sollen die Gneisenaustraße mithilfe der Fußgängerampeln an der Zossener Straße überqueren. Warum ein solcher dritter Zugang überhaupt nötig sein soll und wie verhindert wird, dass Leute einfach quer über die Straße laufen, ist unklar.
Vorgesehen ist außerdem eine Grundinstandsetzung des U-Bahnhofs. Dabei werden laut BVG "die gesamte Bahnsteighalle, die Vorhallen sowie die bestehenden Ausgänge I und II" saniert. Das dürfte dringend notwendig sein, man denke nur an das nun schon einige Jahre zurückreichende heikle Fliesenproblem. Zusätzlich werden einige Betriebsräume und die technischen Anlagen auf den neuesten Stand gebracht. Die Kosten liegen nach Angaben der BVG bei einem "sehr niedrigen zweistelligen Millionenbetrag". Während der Arbeiten ist "mindestens mit zeitlichen Sperrungen" des U-Bahnverkehrs zu rechnen. Was verwundert: Speziell der östliche Ausgang wurde 2020 bereits sehr aufwändig und anhaltend renoviert.
Aber auch das ist noch nicht alles. Drittens ist eine Abdichtung des U-Bahntunnels geplant. Diese Abdichtung der Tunneldecke soll in offener Bauweise erfolgen und erstreckt sich von den U-Bahnhöfen Hermannplatz bis Mehringdamm, betrifft also auch den Mittelstreifen der Gneisenaustraße. Die Arbeiten sollen Anfang 2025 beginnen, Sperrungen der U-Bahn sind in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen. Wer mehr Details wissen will, stößt bei der BVG auf eine Wand des Schweigens. "In welcher Weise ist davon der historische Baumbestand tangiert? Müssen Bäume gefällt werden und wenn ja, wie viele?" Das wollte mogblog mehrfach von der Pressestelle der BVG wissen. Auf diese Fragen gab es keine Antwort.
Was eine Tunnelabdichtung in offener Bauweise bedeutet, kann man seit einer Weile in der Karl-Marx-Straße studieren. Geht man davon aus, dass der Wurzelbereich eines Baumes vom Umfang her ungefähr seiner Krone entspricht, kann man sich gar nicht vorstellen, dass auch nur eine einzige Platane oder Linde eine solche Radikalkur unbeschadet übersteht. Vom Bezirk war immerhin folgende Auskunft zu erhalten: "Die Baumaßnahmen haben Auswirkungen auf den vorhandenen Baumbestand im Mittelstreifen - überwiegend auf der Nordseite. Nach aktuellem Planungsstand könnten bis zu 40 Bäume betroffen sein (Fettung vom Verf.)." Die genaue Zahl werde derzeit noch eruiert. Die BVG habe "umfangreiche Kompensationsmaßnahmen" zugesagt, heißt es weiter, außerdem werde sie "ein eigenes Beteiligungsverfahren" starten.
Dazu ist zunächst anzumerken, dass eine 120 Jahre alte Platane schlicht nicht "kompensiert" werden kann. Kein Bäumchen, welches das Straßen- und Grünflächenamt heute am Straßenrand pflanzt, dürfte eine Chance haben, jemals dieses Alter zu erreichen. Wer an dem Vorhaben wann und auf welche Weise beteiligt werden soll, ist auch unbekannt. Und es geht schon los: Gleichzeitig mit Arbeiten am U-Bahntunnel werden üblicherweise auch Wasser- und Gasleitungen saniert. Und tatsächlich: Die Berliner Wasserbetriebe haben die Projektkoordinierung für Wasser, Gas und die Abdichtung der Tunneldecke bereits im März ausgeschrieben. Der Zuschlag erfolgte am 26. Mai, geplanter Ausführungszeitraum: 5. Juni 2023 bis 30. Mai 2025.