FDP und CDU diskutieren mit Anwalt Mathias Hellriegel über die Wohnungspolitik in Kreuzberg
Das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten ist in Kreuzberg ein hochbrisantes Thema. Nachdem es vom Bundesverwaltungsgericht kassiert wurde (vgl. dazu 1 und 2), arbeitet die Bundesregierung laut Staatssekretärin Cansel Kiziltepe (SPD) nun mit Nachdruck an einer neuen Regelung (vgl. 3 und 4). Auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung legten FDP und CDU kürzlich in der Passionskirche am Marheinekeplatz ihre eigenen Vorstellungen zum Thema bezahlbares Wohnen dar. Dabei kam auch Dr. Mathias Hellriegel zu Wort - der Rechtsanwalt, der mit seiner Klage zur Heimstraße 17 das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erzwungen hatte. mogblog war dabei und schrieb mit. Hier ein ausführliches Protokoll:
(1) Zum Vorkaufsrecht
Aus Sicht der FDP-Bezirksverordneten Dr. Marlene Heihsel hilft ein kommunales Vorkaufsrecht generell nicht gegen steigende Mieten. Es würden davon nur die Bewohner einzelner Häuser profitieren, sagte sie, die oft gar nicht alle bedürftig seien und staatliche Unterstützung nicht in jedem Fall bräuchten. Land und Bezirk hätten dafür sehr viel Geld ausgegeben und dieses Geld könne man viel besser einsetzen, um "das Problem wirklich zu lösen" - nämlich durch den verstärkten Neubau von Wohnungen.
Für den CDU-Bezirksverordneten Jan-Thomas Alter wurde das Vorkaufsrecht im Baugesetzbuch als politisches Instrument missbraucht, um "linke Träume zu verwirklichen". Er warf der grün-rot-roten Mehrheit im Bezirk eine "konservative, fast reaktionäre Wohnungspolitik" vor. Wer bereits "in einem Altbau am Chamissoplatz" wohne, habe großes Glück, Neuankömmlinge hingegen würden benachteiligt und kämen gar nicht erst zum Zug: "Der Bezirk muss sich aber auch verändern können!"
Rechtsanwalt Dr. Mathias Hellriegel machte seinerseits eine ganz andere Debatte auf. Das Vorkaufsrecht sei in der Vergangenheit eher selten tatsächlich ausgeübt worden, berichtete er, viel häufiger kam es nach der Drohung damit zu Abwendungsvereinbarungen. Üblicherweise mit den folgenden vier Punkten: (a) Verbot der Aufteilung von Wohnungen; (b) keine Balkone; (c) kein Fahrstuhl; (d) keine energetische Sanierung. Hellriegel versteht dies als "Milieuschutz 2.0". Nun habe sich der erste Punkt durch das neue Baulandmobilisierungsgesetz ohnehin erledigt, andere seien mit Blick auf Barrierefreiheit und Klimaschutz problematisch. Das alles habe mit dem Vorkaufsrecht aber im Grunde "gar nichts zu tun", weshalb Diskussionen darüber auch völlig überflüssig seien. Es stelle sich vielmehr die Frage, welche Maßnahmen im Wohnungsbestand zugelassen und wie sie auf die Mieter umgelegt werden sollen.
(2) Zum Milieuschutz
Marlene Heihsel (FDP) hält nicht viel von Milieuschutzgebieten: "Das ist ein Feigenblatt, wenn man nicht wirklich etwas gegen die Ursachen der Verdrängung tun will." Ein Milieuschutzgebiet funktioniere wie eine Art "Käseglocke", verhindere Neubau und konserviere bestehende Verhältnisse. Jedes Jahr würden allein im Bezirk 117 000 Euro für die nötigen Gutachten ausgegeben, argumentierte sie. Dieses Geld wäre besser beim Neubau oder bei der zielgerichteten Unterstützung bedürftiger Mieter angelegt.
Jan-Thomas Alter (CDU) sieht vor allem Zielkonflikte zum Klimaschutz: Es sei "schon ein bisschen irre", in ganzen Vierteln moderne Heizungen und Wärmedämmung "per se zu verbieten". Gegen den Schutz erhaltenswerter Ensembles hat er aber nichts einzuwenden.
Witzigerweise machte sich ausgerechnet Mathias Hellriegel als Rechtsanwalt, der Bauprojekte begleitet, für Milieuschutzgebiete stark: "Natürlich muss man die Mieter vor Verdrängung schützen. Der Milieuschutz ist schon ein unwahrscheinlich wichtiges Instrument zum Schutz der Zusammensetzung der Bevölkerung. Wir wollen ja eine Durchmischung haben." Allerdings warnte er auch vor "irrwitzigen Auswüchsen". Wenn etwa Senioren im Viertel keine Wohnung finden, weil sie die Treppe zum 4. Stock nicht mehr schaffen und es qua Milieuschutzgebiet keinen Aufzug geben darf.
(3) Zum Wohnungsbau
Marlene Heihsel (FDP) setzt auf eine "gute Mischung" im Angebot: Kreuzberg zeichne sich dadurch aus, dass hier "verschiedene Menschen zusammenkommen", deren unterschiedliche Bedürfnisse sich auch auf dem Wohnungsmarkt spiegeln müssten. "Wir brauchen die privaten Investoren, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, wir brauchen die Genossenschaften, die dann immer ihre ganz eigene Nische finden. Und wir müssen die Bürger mitnehmen." Konkret schlägt Heihsel vor, mit innovativen Lösungen vor allem "in die Höhe" zu bauen.
Jan-Thomas Alter (CDU): "Berlin ist eine sehr dynamische, weltoffene Stadt. Das wollen wir erhalten und das funktioniert nur, wenn mehr gebaut wird." Freie Flächen gebe es noch jede Menge, nicht einmal das Tempelhofer Feld müsse angefasst werden.
Mathias Hellriegel erinnerte an das "wahnsinnige Ziel" von jährlich 20 000 neuen Wohnungen in Berlin und daran, dass der gegenwärtige Flüchtlingsstrom aus der Ukraine das Problem "noch mal potenziert". Sein Schluss: "Wir müssen wirklich den Turbo anschmeißen!" Dabei seien nun vor allem die Bezirke gefragt: "Der Grundkonsens, den wir eigentlich haben, es muss mehr gebaut werden, der ist jetzt Gott sei Dank seit der letzten Wahl auf der politischen Ebene angekommen, jetzt muss er auf die Verwaltungsebene heruntergebrochen werden. Und das ist sehr hart. Es sind alle Gesetze da, das ganze Instrumentarium ist vorhanden. Es muss nur der grüne Stempel auf die Baugenehmigungen gedrückt werden!"