Die Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) berichtet von ihrem neuen Job
Cansel Kiziltepe (SPD) vertritt seit dem Jahr 2013 den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg / Prenzlauer Berg Ost als Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Im Dezember 2021 wurde sie zur Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ernannt. Wie fühlt sich das an? Was hat sie alles vor? Macht die neue Arbeit Spaß? mogblog hat nachgefragt.
Frau Kiziltepe, Sie sind seit Dezember parlamentarische Staatssekretärin bei Bauministerin Klara Geywitz. Ist das jetzt anders als zuvor im Parlament?
Es ist anders als vorher, weil man vollzieht ja einen Wechsel vom Parlament zur Regierung, aber gleichzeitig bin ich natürlich auch Parlamentarierin, das gleichzeitig hinzubekommen, ist gar nicht so einfach. Als wir zum Beispiel eine Ausschusssitzung hatten - da sitzen ja die Bundestagsabgeordneten und die Regierung ist vertreten durch die parlamentarischen Staatssekretäre - und als es zu einer Abstimmung kam, hab ich mich auch gemeldet und mit abgestimmt und das dürfen wir eigentlich nicht als Regierung. Auf der Regierungsbank im Plenarsaal des Deutschen Bundestages darf man auch nicht klatschen oder sich irgendwie äußern und da ist es mir auch schon mal passiert, dass ich geklatscht habe bei einem unserer Redner.
Das heißt, Sie haben eigentlich einen doppelten Beruf: Sie sind einmal Teil der Regierung, aber Sie sind gleichzeitig auch als Abgeordnete Mitglied des Bundestages.
Ja. Aber ich bin in keinem Ausschuss des Deutschen Bundestages mehr Mitglied, sondern ich vertrete meine Ministerin in den Ausschusssitzungen.
Als Abgeordnete sind Sie sehr engagiert und riefen schon mal auf zur Revolution – auf dem Mietenmarkt oder wo auch immer. Jetzt kann man als Mitglied der Regierung schlecht eine Revolution anzetteln. Schränkt Sie das nicht auch ein?
Ich habe mich sehr lange mit dem Thema Wohnen und Mieten beschäftigt, ich bin in Kreuzberg geboren und aufgewachsen, ich vertrete den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg / Prenzlauer Berg Ost und ich erleben seit zehn Jahren, wie sich vieles verändert und nicht zum Schönen: Viele Menschen werden verdrängt. Mein Schwerpunkt lag im Rahmen meiner politischen Arbeit auf diesen Themen und jetzt, in der Regierung, hat man viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Und daran mitzuwirken ist sehr, sehr wichtig.
Aber macht das auch Spaß?
Doch, es macht Spaß, im Moment arbeiten wir ja auch an einem Referentenentwurf, damit wir das Vorkaufsrecht reparieren nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November.* Das ist total spannend und wichtig auch für die Mieterinnen und Mieter in unserem Land.
Die FDP hat aber schon gesagt, dass sie darauf keine Lust hat. Und es steht auch nicht im Koalitionsvertrag. Da steht nur drin: Wir prüfen! Und dann kommt noch irgendwann die CDU im Bundesrat.
Zum Glück ist dieses Gesetz im Bundesrat nicht zustimmungsbedürftig. Und im Koalitionsvertrag haben wir festgehalten, dass wir das Vorkaufsrecht rechtssicher gestalten wollen und die Prüfbitte bezieht sich - anders, als die FDP das deutet - nicht darauf, grundsätzlich zu prüfen, ob das Instrument des gemeindlichen Vorkaufsrechts sinnvoll ist oder nicht, sondern es ging da darum, ob das Urteil nur diesen einen konkreten Fall betraf oder ein grundsätzliches Urteil ist. Inzwischen liegt die Urteilsbegründung vor und wir wissen, dass es ein Grundsatzurteil ist und dass wir hier gesetzgeberisch handeln müssen.
Sie kriegen die FDP noch rum, meinen Sie.
Ich hoffe es.
Sie sind biografisch und politisch sehr eng mit Kreuzberg verbunden. Nun sind die spezifischen Berliner Themen nicht unbedingt die Probleme der Bundesrepublik. Mietendeckeln, Enteignen … Reduziert Sie das nicht ein wenig im Profil?
Das hört man immer wieder, dass Entwicklungen, die wir hier in Berlin haben, nicht für das gesamte Bundesgebiet gelten. Aber Verdrängung ist nicht nur ein Berliner Problem. Viele andere Metropolen kämpfen heutzutage auch damit. Hamburg, München, Frankfurt, Dresden, Leipzig. Das sind alles Ballungsgebiete, wo Menschen hinziehen, weil sie einen Arbeitsplatz suchen, aber große Probleme wie Verdrängung oder das Nichtvorhandensein von sozialem Wohnraum sie daran hindert. Wir haben mittlerweile einen Zustand, wo viele andere Städte auch von den Berliner Problemen betroffen sind.
Aber als Staatssekretärin tun Sie sich schon schwerer, die Fahne von „Deutsche Wohnen enteignen!“ zu schwingen, als noch als Kreuzberger Abgeordnete …
Genau. Das ist ein Berliner Spezifikum. Grundsätzlich gibt es da eine Diskussion, ob das sinnvoll ist oder nicht. Das wird, glaube ich, kein Thema in anderen Regionen in Deutschland sein.
Innerhalb der Berliner SPD gibt es gerade zur Frage der Enteignung ja sehr unterschiedliche Positionen. Gelten Sie in der Partei als die Linke aus Kreuzberg oder sehen Sie da eher einen Konsens?
Wir sind eine Volkspartei und natürlich haben wir ein breites Spektrum an Meinungen auch in meiner Partei. Wir hatten eine Entscheidung auf dem Landesparteitag zu dem Volksentscheid und die Mehrheit hat sich dagegen ausgesprochen. Es war eine knappe Mehrheit, aber Mehrheit ist Mehrheit in der Demokratie. Man ist der Überzeugung, dass man mit anderen Instrumenten günstiger wegkommt, also Investitionen in den sozialen Wohnungsbau, aber auch mit dem Ankauf von Bestandswohnungen. Aber das ist nicht nur typisch für unsere Partei, die Grünen haben sich auch dagegen ausgesprochen. Das ist nicht immer einheitlich in einer Partei. Aber im Koalitionsvertrag wurde auch mit Rot-Rot-Grün vereinbart, dass man eine Kommission einsetzt, die sich damit beschäftigen und auch Empfehlungen abgeben soll.
Das heißt, die Realpolitik schreckt Sie nicht. Dass Sie jetzt weniger auf Demos gehen und mehr am Schreibtisch sitzen müssen.
Ich bin sehr wahlkreisverbunden. Ich versuche, soweit es meine Zeit zulässt, möglichst viel präsent zu sein. Aber auch, wenn ich nicht vor Ort bin, zu unterstützen, wo es geht, und Realpolitik damit zu verbinden. Aber ich finde, wenn man etwas verändern will – ich habe immer gesagt: Veränderung ist möglich! Das war ja mein Wahlkampfslogan – dann muss man auch an den entscheidenden Stellen mitwirken, und das tue ich jetzt in meiner neuen Funktion. Und wir haben große Herausforderungen, die wir zu stemmen haben. Wir haben als SPD gesagt, wir möchten jährlich 400 000 neue Wohnungen bauen. Davon 100 000 sozial gefördert. Dann haben wir natürlich neben der Wohnungskrise auch die Klimakrise und wir wollen beides verbinden, also wir wollen klimaneutrale und soziale Wohnungen bauen. Und das ist eine Herausforderung, das muss man so sagen. Das zu schaffen, wird nicht einfach sein.
Ja. Wie geht das zusammen? Klimaneutral bedeutet ja wohl zunächst: Wohnen wird teurer. Wärmedämmung, Wärmepumpe undsoweiter, lesen wir ja ständig. Wer bezahlt das? Und wie soll es möglich sein, dass die Mieten gleichzeitig sinken?
Auf Grund der steigenden Energiepreise hat unsere Ministerin Klara Geywitz als erste Amtshandlung den Heizkostenzuschuss durchgesetzt. Das ist eine Unterstützung für die, die es am nötigsten brauchen, für Wohngeldempfänger:innen, Student:innen, Auszubildende. Das ist die eine Maßnahme. Darüber hinaus sind wir uns bewusst, dass in den nächsten Monaten die Energiepreise auch auf Grund außenpolitischer Entwicklungen weiter steigen und die Regierung wird mit einem Maßnahmenpaket hier Lösungsansätze finden. Das haben wir im Blick, die steigenden Energiepreise. Wir wollen ja die EEG-Umlage abschaffen, das ist nochmal eine Entlastung, wir überlegen, was wir bei der Stromsteuer machen können. Wir haben festgehalten im Koalitionsvertrag, dass wir die Verteilung der CO2-Bepreisung auf Vermieter:innen und Mieter:innen gerechter gestalten wollen, das wollen wir noch in diesem Jahr machen. Also es sind viele, viele Punkte, die entlastend wirken sollen, und beim Bauen wollen wir auch auf neue Baustoffe übergehen, seriell bauen, mit Holz bauen, das sind ganz spannende Entwicklungen.
Plattenbau 2.0!
Ich weiß gar nicht, was man gegen Plattenbau hat, ehrlich gesagt. Wir haben zuletzt Pankow ein Projekt der Howoge besucht, wo es um die Aufstockung von Gebäuden geht, also nicht nur Dachausbau, sondern drei Stockwerke auf ein vorhandenes Gebäude mit Holzhybridbau und dort entstehen auch soziale Wohnungen und das sah sehr gut aus.
*) Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat im November das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten stark eingeschränkt. Dazu mogblog: Das Vorkaufsrecht ist tot und Herbe Niederlage.
In Teil 2 des Interviews verrät Cansel Kiziltepe, was sie den ganzen Tag über macht, ob sie Fotos von ihren Kindern auf dem Schreibtisch stehen hat und was ihr an der anstrengenden Arbeit besondere Freude bereitet. In Kürze hier zu lesen!