Handlungskonzept für den Marheinekeplatz verlangt
Dass es am Marheinekeplatz Probleme gibt, ist seit langem bekannt. Als sich Ende August Anwohner und Initiativen mit Stadtrat Knut Mildner-Spindler zu einem "Fachaustausch" trafen, kamen eine ganze Reihe davon zur Sprache: Der erst um 2015 herum aufwändig umgestaltete Platz verelendet zusehends. Anwohner klagen über unkontrolliert campierende Obdachlose, eine wachsende Drogenszene, über Trinker, Wildpinkeln, Fäkalien vor Geschäften und in Hauseingängen, über ständigen Lärm, Vermüllung und Belästigung auch weiblicher Passanten. "Die Anwohner ertragen es nicht mehr", schrieb dazu die "Berliner Morgenpost": "Der halbe Marheinekeplatz ist der ungebremsten Verwahrlosung überlassen."
Bei dem Fachaustausch ging es offenbar vor allem darum, möglichst viele Beteiligte an einen Tisch zu bekommen. Tatsächlich reichen erste Gespräche mit dem Schwerpunkt U-Bahnhof Gneisenaustraße bis ins Jahr 2017 zurück - kamen damals allerdings zu keinem Ergebnis. Ausführlich Position bezogen zu der misslichen Situation auf dem Platz hat Mildner-Spindler auch in seiner Antwort auf eine Anfrage von Claudia Schulte (Bündnis 90 / Die Grünen). Künftig werde der Marheinekeplatz drei Mal wöchentlich gereinigt, versprach er dort. Die Anbieter von Straßensozialarbeit würden besser vernetzt, eine "fächerübergreifende Vernetzungsrunde" befände sich im Aufbau.
Nun bedeutet vermehrtes Miteinander-Reden noch lange keine Lösung. Tatsächlich steht das Bezirksamt vor einem schwierigen Spagat. Auf dem Marheinekeplatz, darüber herrscht Einigkeit, soll es auch künftig keine Verdrängung geben, sondern stattdessen "Inklusion". Aber was heißt das konkret? Wo hören die in hohem Maße schützenswerten Rechte von sehr speziellen Randgruppen auf, die sich oft an keine Regeln halten, und wo beginnen die Rechte von Anwohnern, Müttern mit ihren Kindern, alten Menschen, Passanten und von Gewerbetreibenden? Auf diese schwierige Frage hat der Bezirk bisher keine Antwort gewagt.
Timur Husein von der CDU hat nun offenbar die Geduld verloren. Er verlangt vom Bezirksamt, bis zum Ende des ersten Quartals in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren ein Handlungskonzept vorzulegen, das "Lösungsmöglichkeiten aufzeigt". In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) verfügt die CDU nur über vier von insgesamt 55 Sitzen, deshalb haben solche Anträge meist keine große Zukunft. Außerdem gab es im Ausschuss Ärger mit dem "Wording", weil Husein von "Drogen- und Alkoholsüchtigen" auf dem Marheinekeplatz sprach, was politisch korrekt natürlich "Probleme im Rahmen von Suchterkrankungen und Obdachlosigkeit" heißen muss.
Bei der Abstimmung in der BVV bekam er letzte Woche für den leicht geänderten Antrag ganz überraschend die Zustimmung von SPD, FDP, AFD, seiner CDU sowie eine Grünen-Stimme. Die Partei und die restlichen Grünen enthielten sich, die Linken waren dagegen. Er habe kein Verständnis für "Einzelmaßnahmen", sagte Fraktionschef Oliver Nöll zur Begründung und forderte stattdessen ein "Gesamtkonzept". Das bedeutete unterm Strich eine klare Mehrheit gegen Grün-Rot (wobei "Rot" hier für "Links" steht). Und mal ernsthaft, ganz abseits aller Parteipolitik: Wer kann nach vier Jahren "Vernetzung" und weiter eskalierenden Konflikten auf dem Platz etwas gegen Lösungsversuche haben?